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Archiv-Artikel

Bonsai Kitten & Rival Schools

Okay, jetzt erzählt der Opa mal wieder vom Krieg. Früher, als Westberlin noch von diesem praktischen antifaschistischen Schutzwall umgeben war, der ganz doofe Leute auf Abstand hielt, brutzelte die Musikszene im eigenen Saft vor sich hin. Neben wenigen solitären und originären Bands wie den Einstürzenden Neubauten oder den Ärzten prägte vor allem eine erstaunlich selbstzufriedene Retro-Kultur die Mauerstadt.

 Meist war sich genug, wer Garagen-Rock aus den sechziger Jahren adaptierte und mit ein wenig Comic-Ästhetik aus Fernost verschnitt. The Planets brachten es so immerhin bis in die japanischen Charts. Der Rest blieb sitzen.

 Ziemlich genau dort setzen Bonsai Kitten an. „Done With Hell“ ist ein flottes Album voller knackiger Gitarrenriffs, einiger gelungener Rockabilly-Anleihen und einer hübschen Punk-Rotzigkeit.

 Nicht gerade eben die Zukunft der Rockmusik, aber ein großer Spaß, der geschickt mit allerhand Elementen aus Popgeschichte und Trash-Kultur spielt. Außen auf dem Cover schwingt Sängerin Tiger Lilly Marleen, die sicherlich von einem katholischen Pfarrer auf exakt diesen Namen getauft wurde, im Schulmädchen-Outfit das Schwert, um sich gegen eine Horde Zombies zu wehren.

 Innen in der Platte haben die Männer auch nicht wirklich eine Chance: „I can get what I want on my own“, singt Frau Marleen in dem Song mit dem bezeichnenden Titel „The Cock Is Dead“ und auch ansonsten tauchen gern mal primäre Geschlechtsorgane auf. Damals im Krieg war solch eine aggressive Sexualität, sagt jetzt mal der Opa, durchaus noch eine revolutionäre Angelegenheit. So gesehen kommen Bonsai Kitten also ungefähr ein Vierteljahrhundert zu spät.

 Angesichts der mittlerweile so vitalen Musiklandschaft in der Hauptstadt könnte man aber auch sagen: Schön, dass Berlin offensichtlich auch eine Rockstadt sein kann.

 Das ist schon deshalb wichtig, damit sich Walter Schreifels hier noch länger wohl fühlt. Nach seinen legendären New Yorker Combos Youth of Today, Gorilla Biscuit und Quicksand hatten sich eigentlich auch Rival Schools bereits aufgelöst.

 Aber ungefähr seit Schreifels Umzug nach Berlin gibt es auch die Band wieder, die bei ihrer Gründung als Harcore-Supergroup galt. Mittlerweile sind Rival Schools zwar eher ein Hobby-Projekt, aber das hört man auf „Pedals“ zum Glück überdeutlich: So entspannt, so wundervoll abgeklärt und souverän, überzeugt nostalgisch und noch gar nicht verbittert klang Punkrock wohl noch nie. Wenn die Gitarren wieder schrammeln und wenn der Bass grummelt, dann spürt man zwar einerseits noch mal sehr genau, warum damals, als noch Krieg war, mancher glaubte, man könnte mit so einer Musik tatsächlich mehr erreichen als nur den Kater am nächsten Morgen. Andererseits aber schwingt auch immer das Wissen mit, dass das mit der Revolution doch nur eine hohle Pose voller verzweifeltem Sturm und Drang war. Großartiges Album, auch in Friedenszeiten. THOMAS WINKLER

■ Bonsai Kitten: „Done With Hell“ (Wolferine/Soulfood), Record Release Party am 9. 4. im Bassy

■ Rival Schools: „Pedals“ (Atlantic/Warner), 9. 4. im Astra (+ And You Will Know Us By The Trail Of Dead)