piwik no script img

Archiv-Artikel

Madiger Big Apple

TENNIS Die deutschen Spielerinnen scheiden bei den US Open allesamt sang- und klanglos aus. Das verheißt nicht Gutes für das Fed-Cup-Finale im November gegen favorisierte Tschechinnen

AUS NEW YORK JÖRG ALLMEROTH

Gerade hatte sich Barbara Rittner bei einer abendlichen Plauderrunde noch einmal durch den Pleiten-, Pech- und Pannentag ihrer Mädelscombo durchgearbeitet, da schoss der Bundestrainerin unter sternenklarem New Yorker Himmel noch „etwas Positives“ durch den Kopf. Es ging dabei allerdings nicht um die US Open, sondern um das Ereignis, das schon seit dem Frühjahr irgendwie alles überstrahlt im Spielbetrieb der deutschen Tennisfrauen, nämlich das Fed-Cup-Finale (8./9. November) in Prag. „Alle wollen spielen, alle sind heiß auf dieses Match“, sagte Rittner, „das ist supererfreulich.“ Wenigstens das.

In welcher Verfassung sich die besten Deutschen zum Kampf gegen Tschechiens Powerteam um Wimbledon-Siegerin Petra Kvitova stellen werden, gibt nach diesem letzten Grand-Slam-Turnier des Jahres Rätsel auf – mehr Fragezeichen jedenfalls als der Kapitänin Rittner und dem Trainerstab lieb sein können. „Es ist noch genügend Zeit bis zum Finale. Aber es muss sich auch noch was bewegen in der Leistungskurve“, sagte Rittner.

Als Rittner Samstagnacht letztmals in ihr Hotel in den Wolkenkratzerschluchten Manhattans zurückfuhr, hatte sie sozusagen drei Niederlagen mit im Gepäck – zwei nicht ganz unerwartete Knock-outs von Andrea Petkovic (gegen die Dänin Wozniacki) und von Sabine Lisicki (gegen die russische Turnier-Mitfavoritin Scharapowa). Und einen jähen, doch befremdlichen US-Open-Abschied von Angelique Kerber gegen das 17-jährige Schweizer Tennis-Sternchen Belinda Bencic. „Das Turnier hatte ich mir ein wenig anders vorgestellt“, sagte die Leverkusenerin am Wochenende, „jetzt ist natürlich Enttäuschung da.“

Statt Selbstvertrauen in der letzten Saisonphase aufzubauen, in diesem Countdown bis zu den Finaltagen in Prag, lösten die Auftritte der Deutschen auf der großen Grand-Slam-Bühne eher Zweifel aus. Und die Befürchtung, dass es schwer werden könnte mit einem großen Coup im Herbst. „Das war jetzt ein Dämpfer hier in New York. Aber ich bin doch guten Mutes, dass wir ein starkes Team aufstellen werden“, sagte Rittner. Startplatzgarantien gab sie ihren beiden vertrauten Spitzenkräften Kerber und Petkovic, wenn die „gesund und fit sind“.

Doch die so ungleichen Freundinnen, die scheue Kielerin Kerber und die extrovertierte Stimmungskanone Petkovic aus Darmstadt, plagten sich bei den US Open mühselig durch den Spielbetrieb – wankelmütig Kerber, wieder einmal zweifelnd Petkovic. Bei den fünf verlorenen Spielen zum Turnier-Aus gegen Bencic (5:2 zu 5:7 im zweiten und letzten Satz) wirkte Kerber ähnlich erstarrt wie schon beim French-Open-Aus gegen Eugenie Bouchard. Petkovic, die nach sommerlicher Viruserkrankung den Anschluss verloren hatte, blieb selbst nach zwei überstandenen Turnierrunden ohne Lockerheit und vermittelte ihren Fans ein Gefühl innerer Zerrissenheit. Mit den Reisestrapazen zum Fed-Cup-Halbfinale Anfang April in Australien, die sie später auch anführte als Grund für manche deutsche Enttäuschung des Frühjahrs und Sommers, hatte das alles aber nichts zu tun – selbst Chefin Rittner wollte das nicht gelten lassen.

Im Verteilungskampf um die vier Plätze im Team steckt Brisanz. Rittner ist bekannt dafür, an vertrauten Personaltableaus festzuhalten. Doch nach dem verletzungsbedingten Fehlen in den Auftaktrunden des Fed Cups drängt nun Lisicki zurück in die Equipe, nicht ganz unberechtigt auch nach einem US-Open-Auftritt, der ihren Aufwärtstrend der letzten Wochen bestätigte. „Alles ist offen. Alle können sich empfehlen“, sagte Rittner.

Wobei: So richtig überzeugend sind all ihre Handlungsalternativen nicht, denn Julia Görges setzte in New York ihre Serie von Erstrunden-Niederlagen fort, und die ewige Nationalspielerin und Doppelspezialistin Anna-Lena Groenefeld klagt derzeit über Hüftprobleme. Das macht für Rittner vor allem die Suche nach einem überzeugenden Doppel schwer, einem Doppel, das am Ende des Finals womöglich noch den Ausschlag über Sieg und Niederlage geben könnte. Käme es so weit, wäre nach dem jetzigen Stand allerdings schon viel erreicht.