: „Es geht nicht um Sportsgeist“
OLYMPIA Gegen Hamburgs Bewerbung formiert sich Protest. Nicole Vrenegor und Dirk Seifert von (N)Olympia über Gigantomanie, Intransparenz und explodierende Kosten
■ 41, die Politikwissenschaftlerin mit Schwerpunkt Stadtentwicklung ist aktiv bei Recht auf Stadt in Hamburg und bloggt auf nolympia-hamburg.de.
INTERVIEW SVEN-MICHAEL VEIT
taz: Frau Vrenegor, Herr Seifert, was haben Sie gegen Sport?
Dirk Seifert: Überhaupt nichts. Mit Skepsis hingegen sehen wir, dass der Hauptmotor einer Olympiabewerbung Hamburgs die Handelskammer und Wirtschaftskreise sind. Auch der Partner auf der anderen Seite, das Internationale Olympische Komitee (IOC), ist zu einem rein profitorientierten Marketingkonzern verkommen. Das IOC beweist sich seit Jahrzehnten als reformunfähig. Stichworte sind hier: Korruption, Gigantomanie und die völlige Intransparenz in den Entscheidungen. Deshalb geht es bei Olympischen Spielen leider nicht um Sportsgeist, sondern vor allem um knallharte wirtschaftliche Interessen.
Wer steht hinter (N)Olympia?
Seifert: Es gab bisher ein Treffen, von dem ausgehend haben wir 13 kritische Fragen an den Senat und den Deutschen Olympischen Sportbund erarbeitet. Wir sind Aktive aus Umweltorganisationen, Stadtteil- und Mieterinitiativen, von Recht auf Stadt, kirchliche und gewerkschaftliche Akteure, Linke und Grüne bis hin zu Rebellen aus dem Plenum der Handelskammer.
Und was befürchtet dieses bunte Bündnis?
Nicole Vrenegor: Es sind vor allem vier Punkte. Wir befürchten, dass sich im Zuge von Olympia die soziale Spaltung innerhalb Hamburgs weiter verschärft durch Gentrifizierung und Mietsteigerungen. Es droht zweitens ein ökologisches Desaster durch massiven Flächenverbrauch und mehrere Millionen Tonnen CO2-Emissionen. Und am Ende gibt es jede Menge Prestigebauten, die die Stadt nicht braucht und die in der Nachnutzung extrem teuer sind. Womit wir beim dritten Punkt wären: den Kosten. Die haben bei Großereignissen die Tendenz, elbphilharmonisch zu explodieren. Und viertens wären da noch die Sicherheitsmaßnahmen.
Sie befürchten eine Kostenexplosion, für die der Steuerzahler herhalten muss?
■ 53, der Politikwissenschaftler engagiert sich in der Anti-Atom-Bewegung und bloggt für die beiden Seiten umweltfairaendern.de und nolympia-hamburg.de.
Seifert: Wenn man mit den Befürwortern von Olympischen Spielen über Kosten redet, werden die immer ganz unkonkret.
Wahrscheinlich wissen sie es wirklich nicht besser.
Seifert: Gut möglich, ja. Aber alle Erfahrungen von anderen Spielen oder Fußball-Weltmeisterschaften zeigen, dass die Veranstaltungen am Ende dramatisch teurer geworden sind als zunächst behauptet. Wir sehen keinen Grund, warum das in Hamburg anders sein sollte.
Ist die Frage der Sicherheit eine von besonderer Intransparenz? Bisher gibt es dazu keine offiziellen Aussagen.
Vrenegor: Ja, das hat man zuletzt in London gesehen. Da waren letztlich 40.000 Sicherheitskräfte im Einsatz, allein das hat 1,3 Milliarden Euro gekostet. Davon war am Anfang in diesen Größenordnungen bei Weitem nicht die Rede. Auch darüber, was sicherheitspolitisch auf uns zukommt – zum Beispiel mit Gefahrengebieten und der Einschränkung von Bürgerrechten –, gibt es keinerlei Transparenz.
Aber es soll doch im nächsten Mai einen Bürgerentscheid geben, bei dem alle Fakten auf dem Tisch liegen.
Ihre Konzepte für Olympische Sommerspiele 2024 oder 2028 haben Hamburg und Berlin am Montag vorgestellt.
■ Zeitplan: Der Deutsche Olympische Sportbund entscheidet im Dezember 2014 oder Januar 2015, mit welcher Stadt sich Deutschland bewirbt. Das IOC entscheidet 2017.
■ Kritik: Das Bündnis (N)Olympia (www.nolympia-hamburg.de) hat dem Hamburger Senat am Freitag 13 kritische Fragen gestellt – bislang unbeantwortet.
■ Debatte: „Olympia – ja, bitte oder nein, danke?“, Podiumsdiskussion der Grünen mit Vertretern des DOSB und des Hamburger Sportbundes sowie Dirk Seifert von (N)Olympia: heute, 19 Uhr, Hamburger Rathaus, Raum B.
■ Schwerpunkt: Mit den Olympiabewerbungen Hamburgs und Berlins befasst sich auf drei Seiten die kommende taz.am wochenende.
Vrenegor: Das ist auch gut und richtig. Wir befürchten aber, dass nur über eine Lightversion von Olympia abgestimmt werden wird, die erst mal bescheiden und nachhaltig daherkommt. Erst später werden die wirklich bitteren Pillen verabreicht, nämlich dann, wenn das IOC den Zuschlag vergibt. Konkret fordert das IOC von den austragenden Städten gigantische Sicherheitsvorkehrungen, eine überdimensionierte Infrastruktur und diverse luxuriöse Extrawünsche – was letztlich Milliarden an Zusatzkosten produziert. Dann ist es zu spät, um Nein zu sagen.
Seifert: Es muss eine Ausstiegsklausel geben, wenn das Endergebnis von dem, was die Hamburger BürgerInnen zu Beginn abgestimmt haben, am Ende der Planungen und der Verhandlungen mit dem IOC stark abweicht.
Ein zweiter Bürgerentscheid?
Seifert: Darüber muss man reden. In jedem Fall muss am Ende das mit dem IOC ausgehandelte Ergebnis zur Entscheidung gestellt werden.
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