Immer mehr

„Mekka Deutschland. Die stille Islamisierung“ – Wie der „Spiegel“ Stimmung gegen Fremde macht

Irgendwie ändern sich die Zeiten, aber eigentlich bleibt doch alles, wie es ist. Vor zehn Jahren malte der Spiegel unter dem Titel „Gefährlich fremd“ die Schrecken der Multikulti-Gesellschaft in knalligen Farben aufs Cover. Vor 15 Jahren war das Boot auf dem Spiegel-Titel „voll“ und wir mussten uns der anstürmenden Asylantenmassen erwehren. Heute droht „Mekka Deutschland“, denn auf leisen Sohlen unterwandern Islamisten die Republik.

Erst Flüchtlinge, dann Ausländern, jetzt Muslime. Immer geht es gegen die Fremden, die Anderen, die uns irgendwie bedrohen. So ändern sich die Feindbilder und bleiben sich doch gleich.

1997 stand im Spiegel: „Immer mehr Bürger fühlen sich im eigenen Land bedroht, missbraucht und in die Defensive gedrängt.“ Mit Bürgern waren offenkundig ethnisch deutsche Spiegel-Leser gemeint, keine Einwanderer mit deutschem Pass. Heute liest man im Spiegel, dass „immer mehr“ muslimische Mädchen nicht an Sportunterricht und Klassenfahrten teilnehmen. Es gibt zwar über religiös motivierte Freistellungen vom Sportunterricht keine verlässlichen Zahlen – aber egal. Es müssen, im Sound der Spiegel-Dramatisierung, auf jeden Fall „immer mehr“ sein. Dieses „immer mehr“ ist das unverzichtbare Schlüsselwort des Spiegel-Alarmismus. Es müssen stets, wahlweise, immer mehr Flüchtlinge sein, die wir uns vom Hals schaffen müssen, immer mehr Migrantenkids, die sich als sexistische Rüpel aufführen, oder immer mehr Islamisten, die unverfrorenen deutsche Gerichte auf ihre Seite ziehen.

Auf dem Spiegel-Titel sind Halbmond und Stern über dem Brandenburger Tor aufgezogen. Die Republik schläft – nur die Spiegel-Redaktion wacht und eilt zur Alarmglocke, um die schlafmützigen Liberalen aufzuwecken, ehe die Muslime vollends die Macht im Staate übernommen haben. Auch das zählt zum festen Repertoire der Spiegel-Rezeptur: Es gibt die gefährlichen Fremden und die naiven Liberalen, die kampflos aufgeben.

Auf dieses Rezept hat der Spiegel allerdings kein Copyright. Es ist die Rhetorik der innere Mobilmachung und Angstrhetorik der Konservativen.

STEFAN REINECKE