: Gelddruckmaschine steht zum Verkauf
Wird die Bundesdruckerei an einen Finanzinvestor verkauft? Momentan sieht alles danach aus – und Politiker warnen vor dem Verlust von Arbeitsplätzen, Datensicherheit und Know-how. Dabei geht es dem ehemaligen Staatsunternehmen so gut wie nie
VON SVEN KULKA
Es war ein kompliziertes, auf viel Handarbeit beruhendes Verfahren, mit dem die Angestellten der Reichsdruckerei gegen Ende des 19. Jahrhunderts die ersten Mark-Noten herstellten. Heute kümmern sich in der Kreuzberger Oranienstraße modernste Maschinen um den Druck frischer Euro-Scheine. Kompliziert gestalten sich dagegen die Diskussionen um die Zukunft der Bundesdruckerei. Sechs Jahre nach der Privatisierung gibt es Streit um die künftigen Besitzverhältnisse am Hersteller von Ausweispapieren und Geldnoten. Mehrheitseigentümer Heinz-Günter Gondert hält sich bedeckt und will keine Verkaufspläne bestätigen: „Es gibt momentan nichts dazu zu sagen.“ Dabei hatte Gondert erst im vergangenen Oktober die Investmentbank Rothschild beauftragt, das Unternehmen vor dem Hintergrund eines Verkaufs auf Herz und Nieren zu prüfen.
„Ich rechne fest damit, dass die Bundesdruckerei verkauft wird“, sagt der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Hans-Peter Uhl (CSU). Nur: Ein ausländischer Investor dürfe dabei nicht zum Zug kommen. Hochsensible Produkte der Druckerei – wie Reisepässe – müsse das Innenministerium jederzeit kontrollieren können, so Uhl. Außerdem verliere die Bundesrepublik sowohl die in der Druckerei entwickelten Technologien als auch die Mitarbeiter ans Ausland. Das zu verhindern, sei jetzt die Politik gefordert.
Auch Elke Breitenbach von der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus mahnt: „Wenn das Unternehmen ins Ausland geht, stehen rund 1.300 Arbeitsplätze auf dem Spiel.“ Und Dieter Wiefelspütz, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, unterstützt ebenfalls „das Ansinnen, dass die Druckerei in Deutschland bleibt“.
Der Bund aber will und kann sich nicht in die Debatte einmischen. „Wir haben keinen Einfluss darauf, ob die Druckerei verkauft wird oder nicht“, sagt Stefan Olbermann, Sprecher des Bundesfinanzministeriums. Nach der Privatisierung könne der Bund nur noch über sein Mitspracherecht dafür sorgen, dass ein Käufer alle relevanten Sicherheitsstandards erfülle.
Die Entscheidungsgewalt über die Druckerei büßte der Bund im Jahr 2000 ein. Damals spülte der Verkauf des staatseigenen Betriebs an den amerikanisch-britischen Finanzinvestor Apax 1 Milliarde Euro in die Kassen von Bundesfinanzminister Hans Eichel. Eine Menge Geld – nicht nur für den Staat, sondern auch für den Investor, der bei der Hessischen Landesbank (Helaba) ein Darlehen von rund 500 Million Euro aufnahm. Kein guter Deal für Apax: Die Zeiten für die Herstellung von Personendokumenten waren schlecht, und schon nach zwei Jahren machte die Druckerei so hohe Verluste, dass Apax sie an die Unternehmensgruppe authentos weiterverkaufen musste, an der Heinz-Günter Gondert die Mehrheit hält.
Das Unternehmen schien vorerst gerettet, die Rückzahlung der Kredite gesichert. Doch weit gefehlt: Die finanziellen Probleme der Druckerei gingen weiter. Im August 2002 musste sie fast Insolvenz anmelden und konnte nur dadurch gerettet werden, dass der Bund und die Gesellschafter mit Darlehensforderungen zurücktraten. Danach hatte sich auch die Eigentümerstruktur geändert. Momentan ist die Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) Hauptgläubiger – aber weder rechtlich noch faktisch Eigentümer der Bundesdruckerei.
Dass der Münchner Bundestagsabgeordnete Uhl heute am lautesten gegen einen möglichen Verkauf wettert, dürfte einen ganz konkreten Hintergrund haben: München ist der Unternehmenssitz von Giesecke & Devrient (G&D). Das Unternehmen ist größter Konkurrent der Bundesdruckerei und gilt als einziger potenzieller Käufer aus dem Inland. Schon heute druckt das Unternehmen die Hälfte aller Banknoten für den Bund und erfüllt alle sicherheitsrelevanten Anforderungen.
Ganz andere Sorgen hat dagegen Detlef Bachler, der Betriebsratsvorsitzende der Bundesdruckerei: „Wir wissen genau, was mit Unternehmen passiert, die verkauft werden.“ Ihm komme es letztlich nicht darauf an, wer die Druckerei kaufe, so Bachler: Wichtig sei, dass sie erst gar nicht verkauft werde. Zwei Veräußerungen habe das Unternehmen ja schon hinter sich, und „dreimal umgezogen ist wie einmal abgebrannt“. Vor allem aber hofft der Betriebsratsvorsitzende, dass kein Finanzinvestor – wie damals Apax – die Druckerei kauft. Damals sei in der Folge viel Personal abgebaut worden. Und Finanzinvestoren ließen am Ende nur Schulden und keine Arbeitsplätze übrig.
Der Betriebsrat will laut Bachler weiterhin Druck auf die Politik ausüben. Die stehe nicht nur gegenüber den Angestellten in der Verantwortung, sondern auch dem Bezirk Kreuzberg und seinen Einwohnern. Zudem müsse der Staat sein Mitspracherecht einlösen. Bei der Wahrung elementarer Sicherheitsvorkehrungen habe er schließlich ein Wort mitzureden.
Überhaupt sieht es derzeit so aus, als befinde sich die Bundesdruckerei bei Verkaufsverhandlungen in einer bequemen Position. Die kürzlich veröffentlichte Gewinnrechnung für 2006 liest sich wie eine Erfolgsstory: Sie bescheinigt dem Unternehmen das beste Jahr seit seiner Gründung. Der Umsatz stieg von 2005 auf 2006 um 47 Millionen Euro auf 262 Millionen Euro, das Ergebnis vor Steuern und Zinsen legte um mehr als die Hälfte auf 66 Millionen Euro zu. „Wir haben 2006 außerordentlich erfolgreich abgeschlossen und sind für die Zukunft hervorragend gerüstet“, freut sich Bundesdruckerei-Chef Ulrich Hamann.
Die Auftragsbücher sind voll, dass deutsche Projekt des elektronischen Reisepasses („ePass“) läuft hervorragend, und die an der Oranienstraße entwickelten Technologien sind gefragt wie nie zuvor – im Inland wie im Ausland. „Das erhöht natürlich die Chancen, dass der Bund einen großen Teil seines Darlehns zurückerhält“, sagt Stefan Olbermann vom Finanzministerium.
Auch die Helaba freut sich über die hohen Gewinne des ehemaligen Staatsunternehmens. „Wir sind mit dem Rekordgewinn der Bundesdruckerei in 2006 sehr zufrieden“, freut sich Sprecher Wolfgang Kuß. Ob das Unternehmen verkauft werde oder nicht, spiele für die Bank keine Rolle. Sie sei lediglich daran interessiert, ihr Geld zurückbekommen, so Kuß.
Ob das der Fall sein wird, vor allem bei einem Verkauf, da ist Hans-Peter Uhl skeptisch. Auch Elke Breitenbach fragt sich, wohin die Reise geht: „Das Geld sieht der Bund eh nicht wieder“, glaubt die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der PDS im Abgeordnetenhaus. Umso wichtiger sei es, dass der Bund jetzt Anteile an der Druckerei erwerbe, um seinen Einfluss zu erhöhen. „Der Vorschlag ist absurd“, hält Stefan Olbermann dem entgegen. Diese Frage stelle sich das Finanzministerium nicht. Damals habe sich der Bund bewusst dafür entschieden, die Druckerei zu privatisieren. Jetzt wieder mit Anteilskäufen einzusteigen, stehe nicht zur Diskussion.
Ein anderes Problem, das auf das Unternehmen zukommen könnte, ist die bestehende Rahmenvereinbarung zwischen der Bundesdruckerei und dem Innenministerium, die im Spätsommer eventuell vom Bund aufgelöst werden könnte. Die Vereinbarung verschafft dem Unternehmen eine Quasi-Monopolstellung für den Druck von Personalausweisen, Briefmarken, Visa und Reisepässen für die Bundesrepublik. „Diese komfortable Situation für die Druckerei könnte sich bald ändern“, sagt Lothar Schüssler, PDS-Fraktionsvorsitzender in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg. Spätestens zum Ende des Sommers müsse die Bundesregierung entscheiden, ob sie die Vertragsvereinbarung mit einjähriger Kündigungsfrist aufheben wolle oder nicht, so Schüssler. Sollte sie dies tun, könnte der Bund ab Herbst 2008 Aufträge frei ausschreiben. Eine Entscheidung schiebt die Regierung derzeit noch vor sich her. Bewegt sie sich nicht, bleibt alles beim Alten, der Vertrag verlängert sich automatisch um weitere drei Jahre. Es sei denn, die Druckerei würde verkauft – dann würden die Karten ganz neu gemischt, so Schüssler.
Wie es mit der Bundesdruckerei weitergeht, weiß in diesen Tagen niemand so genau. Schwarz auf weiß gibt es noch nichts. Weder ob und wann die Druckerei verkauft wird, noch was mit den Rahmenverträgen passiert. Was allerdings feststeht: Die Politik ist sich ausnahmsweise einmal über alle Lagergrenzen hinweg einig. Und die Bundesregierung? Sie will nur das Beste, der Mehrheitseigentümer natürlich auch – hoffentlich auch den Erhalt der Arbeitsplätze.