: „Mal was reißen“
Franz Reindl, Sportdirektor im Deutschen Eishockeybund, über die Nationalmannschaft vor der WM in Moskau, eine Ausländerbeschränkung in der deutschen Liga und den Stellenwert seiner Sportart
FRANZ REINDL, 52, war als Spieler 181-mal für Deutschland am Puck. Seit 1992 ist der ehemalige Stürmer des SC Riessersee und des SB Rosenheim Sportdirektor des Deutschen Eishockeybundes (DEB).
INTERVIEW ANDREAS RÜTTENAUER
taz: Herr Reindl, was dürfen wir von der Nationalmannschaft in Moskau erwarten?
Franz Reindl: Erst mal sind wir überglücklich, überhaupt hier sein zu dürfen, den sofortigen Wiederaufstieg aus der B-Gruppe geschafft zu haben. Und als Aufsteiger kann es nur darum gehen, die Klasse zu halten.
Eishockey in Deutschland steckt also immer noch tief in der Krise?
Nein, das ist keine Krise. Das ist einfach das Spiegelbild unseres Leistungsvermögens.
Bundestrainer Uwe Krupp meinte, Eishockey in Deutschland würde aussterben, wenn nicht mehr Deutsche in der Liga zum Einsatz kommen.
Wir haben doch eine gute Nationalmannschaft, wir haben eine junge Nationalmannschaft, wir sind auf einem guten Weg in Richtung Heim-WM 2010. Aber wir sehen bei den anderen Nationen mehr Bestrebungen, es besser zu machen. Ob das in der Schweiz ist, in Österreich, in Lettland oder Weißrussland, in den Verbänden, die mit uns auf Augenhöhe sind, da spielen in den Ligen wesentlich weniger ausländische Spieler als bei uns. Deswegen hat Krupp das gesagt.
Also hat er recht?
Wir müssen handeln. Und zwar nicht erst 2010, sondern schon in der nächsten Saison das Ausländerkontingent um einen Spieler von elf auf zehn runterfahren, damit es in der Liga 15 Plätze für deutsche Spieler mehr gibt.
Wie ist denn der Dialog zwischen Verband und der Deutschen Eishockeyliga?
Sicher wird die Aussage des Bundestrainers einige erschreckt haben – aber eben auch wachgerüttelt. Noch in dieser Woche werden wir der DEL unseren Plan vorstellen, bis 2010 das Kontingent für ausländische Spieler auf acht Plätze schrittweise zu reduzieren. Das ist keine Utopie.
Warum sollte sich die DEL darauf einlassen?
Wenn wir alle das gleiche Ziel haben, nämlich die deutsche Nationalmannschaft zu verbessern und das deutsche Eishockey besser zu verkaufen, dann kann es keinen Grund geben, der dagegen spricht
Träumen Sie manchmal von einer Heim-WM, wie sie die Handballer hingelegt haben?
Was die Handballer vorgemacht haben, das können wir nicht nachmachen – vom Sportlichen her gesehen. Organisatorisch ganz sicher. Wir werden auch mehr Zuschauer haben als die Handballer, wir werden mehr Fernsehzeiten haben. Aber den sportlichen Erfolg der Handballer zu kopieren, das ist unmöglich.
Euphorie für Eishockey herrscht derzeit nicht gerade in Deutschland. Zu Länderspielen kommen oft gerade einmal 3.000 Zuschauer.
Natürlich ist das ein Alarmzeichen. Wir waren nach unserem Abstieg in der zweiten Liga und das hat man im Zuschauerverhalten schon gespürt.
Wer ist derzeit der bekannteste deutsche Spieler?
Das ist eine gute Frage. Ich kenne natürlich alle. Aber Spieler von überregionaler Bekanntheit? Einen Daniel Kreutzer kennt man vielleicht, Aber dann wird es schon eng. Aber würden mehr deutsche in der Liga spielen, sähe das schon anders aus.
Die Liga ist im Pay-TV zu sehen. Sind sie mit der Fernsehpräsenz zufrieden?
Premiere schaut an, wer die Liga sehen will. Und da ist sie auch gut präsentiert. Natürlich würde ich mir mehr wünschen, aber das geht nur über internationalen Erfolge, über eine bekannte Nationalmannschaft.
Heute beginnt in Moskau die 71. Eishockey-Weltmeisterschaft mit dem Spiel der USA gegen Österreich. Die Deutschen spielen in einer Gruppe mit Kanada (Sa., 14.15 Uhr/ARD), der Slowakei (Mo., 14.15 Uhr/ZDF) und Norwegen (Mi., 14.15 Uhr/ZDF) um das erklärte Ziel: den Klassenerhalt in der Weltgruppe A. Das Finale findet am 13. Mai statt. TAZ
Die Nationalmannschaft als Zugpferd für den Sport?
Natürlich. Wenn die Nationalmannschaft absteigt, dann verliert Eishockey als Sport an Stellenwert in Deutschland. Wir müssen irgendwann wieder einmal etwas Herausragendes reißen, bei der WM 2010 zum Beispiel, dann kommen wir aus der grauen Masse heraus.
So lange ist es ja noch nicht her, dass die Mannschaft bei großen Turnieren ins Viertelfinale vorgestoßen ist. Ist das mittlerweile utopisch?
Nein. Das kann man erreichen. Wir haben eine kompakte Mannschaft und natürlich gehen wir in eine WM mit einem gesunden Selbstvertrauen. Wir wollen die Vorrunde überstehen, die nächste Runde erreichen und dort wieder gewinnen. Wir können das schaffen, aber als Ziel kann ich das leider nicht ausgeben. Das wäre vermessen.
Der Bundestrainer hat eine sehr junge Mannschaft nominiert. Ist das nicht arg gewagt?
Es geht doch nicht ums Alter. Es geht darum, dass du die Qualität hast, die Größe, die Geschwindigkeit, die internationale Spielfähigkeit. Die Mannschaft, die Uwe Krupp zusammengestellt hat, genießt mein Vertrauen.
Der Abstieg sollte also kein Thema sein?
Ich denke, dass wir ein gute Rolle spielen, dass wir euphorisches Eishockey bieten. Und ich bin überzeugt davon, dass wir nicht absteigen.