: Opfer für die Nation
CHAMPIONS LEAGUE Turbine Potsdam trifft heute im Endspiel wieder auf Olympique Lyon und reklamiert für sich die Außenseiterrolle. Im WM-Jahr kommt das Finale zur Unzeit
TITELVERTEIDIGERIN BABETT PETER
VON FRANK HELLMANN
Bernd Schröder ist ein Freund deutlicher Worte. Also macht der Gründer und Trainer von Turbine Potsdam mal gar keinen Hehl daraus, dass dem Titelverteidiger der Women’s Champions League die Favoritenrolle im Endspiel gegen Olympique Lyon (21 Uhr, ZDF) nicht zusteht. „Das Entscheidende ist, dass Lyon besser vorbereitet ist. Wir schwelgen ja nicht in Harmonie, wenn sechs meiner Spielerinnen für sechs Wochen nicht da sind.“ Gerade dreimal hat der knorrige Chef mit seinem kompletten Kader üben können; ein Opfer, das der deutsche Meister für die Vorbereitung der Nationalmannschaft auf die Frauen-WM brachte. „Ich verstehe ja, dass der Druck groß ist, aber das ist einfach nicht optimal“, so der 68-Jährige. „Vielleicht ist es ja so, dass wir der Mannschaft helfen können, weil wir gut trainiert haben“, hofft Torjägerin Anja Mittag, „wir müssen den Schalter umlegen.“ Schließlich schaut neuerdings ein Millionenpublikum zu, wie sich ein Verein schlägt, der als Talentförderer und Titelhamster gleichermaßen Maßstäbe setzt.
Der Wettbewerb besteht in dieser Form erst im zweiten Jahr – mit der Weiterführung des früheren Women’s Cup will die Uefa den Frauenfußball aufwerten und hat dieses Finale in den Vorlauf für die männlichen Stars eingebettet. Dabei sind die Vergleiche eigentlich unzulässig – schon wegen der von Verbandsseite offerierten Preisgelder: Werden in der Champions League der Männer insgesamt 750 Millionen Euro ausgeschüttet, sind es bei den Frauen gerade mal 650.000 Euro. Qualifikationsrunden und erste K.-o.-Runden sind oft reine Zuschussgeschäfte, die weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfanden. Immerhin winken dem Sieger nun 250.000 Euro (Verlierer 200.000 Euro). Es entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie, dass exakt die Widersacher aus dem Vorjahr darum streiten.
Ob sich im Craven Cottage, der Heimstätte des FC Fulham, das wiederholt, was am 20. Mai 2010 im Estadio Coliseum Alfonso Pérez, dem Stadion des FC Getafe, geschah? Damals stieg die 17-jährige Torhüterin Anna Felicitas Sarholz zur Heldin auf – an die emotionale Achterbahnfahrt im Elfmeterschießen hat nicht jeder die besten Erinnerungen. „Ich würde gerne wieder gewinnen, aber es muss nicht erneut so spannend werden“, erklärt Babett Peter, „so ein Gefühlschaos brauche ich nicht – das war das krasseste emotionale Erlebnis, das ich je hatte.“ Sagt die Nationalspielerin, an deren Körper ganz gut abzulesen ist, wie athletisch Frauenfußball in der Spitze ist. „Ich arbeite dafür hart an mir und trainiere ungefähr zehnmal die Woche.“ Die robuste Abwehrspielerin, der früher mal der Spitzname Hulk verpasst wurde, ist heute in die Sportfördergruppe der Bundeswehr eingegliedert, um ihren Sport professionell betreiben zu können, „ich würde mich als Halbprofi beschreiben“. Und die 23-Jährige, die als in der Nationalmannschaft gesetzt gilt, sagt, dass sie sich in Potsdam ganz gut aufgehoben fühlt.
Anders als ihre Mitspielerin Fatmire Bajramaj, überall nur Lira genannt. Die im Kindesalter aus dem Kosovo geflüchtete Offensivspielerin, die immer darum bemüht ist, Fußball und Glamour zu verbinden, und über High Heels öffentlich genauso gern redet wie über Doppelpässe, gibt an der Themse ihre Abschiedsvorstellung. Vor allem aus Vermarktungssicht eröffnet ihr künftiger Klub 1. FFC Frankfurt ganz neue (Verdienst-)Möglichkeiten. Der Wechsel der 23-Jährigen schlug hohe Wellen; auch weil sich Schröder und Frankfurt-Macher Siegfried Dietrich ungefähr so gern mögen wie Christoph Daum und Uli Hoeneß.
Mittlerweile hat sich die Sache beruhigt, Dietrich wird sogar heute neben reichlich Prominenz auf der Tribüne sitzen, den Daumen drückt er aber, wie er sich ausdrückt, allein „den Spielerinnen“. Und eben seinem neuen Covergirl, das den Abend genießen und „alles aufsaugen“ will. Fatmire Bajramaj muss ja auch nicht – anders als ihre Potsdamer Kolleginnen Anja Mittag, Bianca Schmidt oder Josephine Henning – am Tag nach der Feier im Hard Rock Cafe am Hyde Park darum zittern, von Silvia Neid angerufen zu werden. Am Freitag teilt die Bundestrainerin im telefonischen Rundruf persönlich mit, wer aus ihrem WM-Kader noch ausscheidet, hat aber immerhin dies versprochen: „Das Champions-League-Finale spielt bei der Entscheidung keine Rolle.“