: Jeder Mensch hat auch eine Tierseele
ELEKTRONISCHE BEATS Wo Natur und Technik aufeinandertreffen, da will sie hin: Barbara Panther. Vom Flüchtlingskind aus Ruanda zur neuen Diva der Berliner Popszene
VON THOMAS WINKLER
Berlin hält sich für den Nabel der Welt. Schließlich hat die Stadt den schwulsten Bürgermeister, den unterhaltsamsten 1. Mai und den sagenumwobensten Club mit der längsten Einlassschlange. Berlin ist so einzigartig, dass die Bewohnerinnen nun Bürgerinitiativen gründen müssen, um gegen Menschen vorzugehen, die ihre Großartigkeit für ein paar Tage mit ihnen teilen wollen. Was allerdings der Metropole tatsächlich fehlt, ist ein richtiger Popstar, der dieser Großartigkeit international als Aushängeschild dienen kann. Jemand, der die vakante Stelle besetzt, die David Bowie oder Nick Cave einmal im Westberlin der Siebziger und Achtziger inne hatten. Eine Person, die man in der ganzen Welt kennt, damit man sehen kann: So ist Berlin.
Barbara Panther mag an Berlin, dass man hier Fahrrad fahren kann. Versuch das mal in Ruanda (da ist sie geboren), in Brüssel (da ist sie aufgewachsen), in New York oder Venedig (da hat sie schon mal gelebt). Nein, Berlin ist schön, lächelt Barbara Panther und dann guckt sie hoch in die strahlende Sonne, die sich entschlossen hat, an diesem außergewöhnlich warmen Frühlingstag ihre Heimatstadt zu beehren.
Ungewöhnliche Biografie
Am Tag zuvor war das Wetter schlechter. Da war Barbara Panther in London. Der Guardian hat mit ihr sprechen wollen, die Marie Claire und ein paar andere Magazine. Davor war sie in Amsterdam, in Brüssel und in Paris, um Interviews zu geben. „Es gibt Interesse“, sagt sie. Interesse an ihrem aufregenden Lebenslauf und Interesse an ihrer einprägsamen Stimme, die auf ihrem schlicht „Barbara Panther“ betitelten Debütalbum an elektronischen Beats entlangturnt, die so schräg sind, wie man sie lange nicht gehört hat.
Zur Welt gekommen ist Barbara, die damals noch nicht Panther hieß, in Ruanda. Als sie drei Jahre alt war, flüchtete ihre Mutter mit ihr nach Belgien. Dort wurde sie adoptiert. Mit 13 schmiss sie die Schule, haute ab, zog mit Tanz-Compagnien durch Europa, kellnerte hier, jobbte dort als Aktmodell. Heute spricht sie Kinyarwanda, Flämisch, Französisch, Englisch, Italienisch, mittlerweile auch ziemlich gut Deutsch und sagt: „Ich habe einen Überlebensinstinkt, den ich selbst nicht verstehe.“
Eines Nachts erschien ihr im Traum ein schwarzer Panther. Indianer, erzählt sie, glauben daran, dass jeder Mensch eine Tierseele habe, der er im Schlaf begegnet. Seit dem Traum hat sie einen neuen Nachnamen, mit dem sie berühmt werden will. Das soll gelingen mit Songs, die Frau Panther so beschreibt: „Wo die beiden Extreme Natur und Technologie zusammentreffen, dort will ich hin.“ Tatsächlich finden in ihren Beats synthetische und organische Klänge wie selbstverständlich zusammen.
In ihren Texten propagiert Barbara Panther ein Besinnen auf die Weisheit der Natur, bleibt dabei aber Stadtmensch. Auf der Bühne inszeniert sie sich mit extravaganten Kostümen wie ein notgelandeter Alien. „Barbara Panther, das ist keine Kunstfigur, das bin ich.“ Sie ist erst einmal Musikerin. Die Entwürfe der Songs stammen von ihr, auch die allermeisten Soundideen. Bis vor kurzem hat sie nicht einmal einen Computer besessen, sondern mit einer alten Acht-Spur-Maschine getüftelt. Hat auf der Straße Geräusche aufgezeichnet, hat zu Hause das Tropfen eines Wasserhahns aufgenommen und ihr Atmen und dann gefrickelt.
Stimme und Attitüde
Wenn man mit beschränkten technischen Möglichkeiten arbeitet, sagt Barbara Panther, entstehe eher etwas Eigenes. Den letzten Feinschliff hat ihr der Brite Matthew Herbert gegeben, selbst ein elektronischer Musiker, der schon mal Lebensmittel sampelt, um die Grenzen zwischen Aufnahmestudio und der Außenwelt aufzuheben.
Was die beiden zusammen programmiert haben, ist fantasievoll und verwegen, avantgardistisch, aber doch poppig und tanzbar. Ein Album, das ein aufregendes Hörerlebnis wäre – selbst ohne die Stimme von Barbara Panther. Ihre Stimme erinnert die allermeisten, die sie gehört haben, in ihrer typischen, bisweilen jauligen Modulation an Björk. „Ich habe gelernt“, sagt Barbara Panther, „keine Meinung mehr zu Björk zu haben.“ Ein weiterer, ständig wiederkehrender Referenzpunkt, den zu ignorieren sie sich angewöhnt hat, heißt: Grace Jones. Warum? Weil: schwarze Frau, kurze Haare, extravagant, modebewusst. Sie kann was anfangen mit Björk, sagt Barbara Panther, aber „wir machen nicht dieselbe Musik“. Sie mag Grace Jones, sagt sie, „aber meine Klamotten sind aus dem Second-Hand-Laden“. Wichtiger für sie waren andere: Diamanda Galas und ihre Stimme, Lydia Lunch und ihre Attitüde.
Noch ist Barbara Panther ein Geheimtipp. Nicht einmal in diesem heute so sonnigen Berlin, das voller Menschen ist, die Berlin zu dem machen, wofür man es in der Welt hält. Doch wenn Barbara Panther vorbeiläuft, gucken das kreative Prekariat und die Möchtegernlebenskünstler nicht hin. Nicht einmal, wenn sie für die Fotografin posiert und sich in ihrem Vintage-Overall über ein Treppengeländer windet. Berlin ist zu cool zum Gucken, keiner kennt Barbara Panther. Noch nicht.
■ Barbara Panther: „Barbara Panther“ (CitySlang/Universal)