Agenten entspannter als Journalisten

Der Verfassungsschutz dämpft Befürchtungen vor Links-Terror beim G-8-Gipfel. Spekulationen über eine neue RAF seien „völlig gegenstandslos“, sagt Behördenchef Heinz Fromm. Die größte Gefahr gehe weiterhin von islamistischen Terroristen aus

AUS BERLIN ASTRID GEISLER

Schlechte Nachrichten für die Fans der Panikmache vor dem G-8-Gipfel: Bei der Präsentation des Verfassungsschutzberichtes haben Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und Verfassungsschutzchef Heinz Fromm gestern weder vor Hinrichtungen von Staatschefs in Heiligendamm gewarnt noch die Auferstehung der RAF prophezeit.

Spekulationen über einen neuen RAF-Terrorismus seien „völlig gegenstandslos“, versicherte Fromm. Er habe vielmehr zuletzt „ein paar sehr zugespitzte Überschriften“ in der Presse gelesen. Die „gravierendste Bedrohung für Stabilität und Sicherheit“ sei weiterhin der islamistische Terrorismus, bekräftigte auch Schäuble.

Und was ist mit der Meldung der Bild-Zeitung, der Verfassungsschutz schließe von Linksextremen begangene „Anschläge auf Politiker und Manager nicht mehr aus“? In der Szene würden auch „Exekutionen“ diskutiert? Im Moment habe sein Amt keine Hinweise, dass militante G-8-Gegner Anschläge auf Menschen planten, sagte Fromm. Stattdessen erläuterte er mit Schäuble den Zusammenhang zwischen Gewalt gegen Sachen und gegen Menschen: „Wer einen Brandsatz gegen ein Haus schleudert, nimmt Personenschäden in Kauf.“ Daher könne man Gewalt gegen Personen „nicht ausschließen“. In der linksextremen Szene werde im Übrigen seit Jahren diskutiert, ob Anschläge auf Menschen wieder „zweckmäßig“ seien, so Fromm. Eine Veränderung der Lage könne er „im Moment nicht erkennen“.

Was nicht heißt, dass Schäuble und Fromm mit friedfertigen Tagen in Heiligendamm rechnen. Nach Angaben des Verfassungsschützers fürchten die Behörden, „dass aus den Protestdemonstrationen heraus Gewalt ausgeübt wird“. Zudem könnten Militante Anschläge auf Autos oder Häuser oder andere G-8-relevante Objekte verüben.

Als „alarmierend“ bezeichnete Schäuble die Entwicklung im rechtsextremen Spektrum. Mit Freizeitangeboten für Jugendliche oder Hausaufgabenhilfe würden Rechtsextreme „mehr und mehr in die gesellschaftliche Mitte“ vordringen. Laut Verfassungsschutz wuchs die NPD im letzten Jahr um etwa 1.000 auf inzwischen 7.000 Mitglieder. Auch der Einfluss der Neonazis innerhalb der NPD habe drastisch zugenommen: In elf von sechzehn Landesvorständen säßen inzwischen Neonazis.

Zwar ist laut Fromm die Zahl gewaltbereiter Rechtsextremisten nicht gestiegen, wohl aber die Zahl der rechtsextremen Gewalttaten. Daher gehe er von einer „gewachsenen Gewaltbereitschaft“ dieser Szene aus. Ganz vorn in der Pro-Kopf-Statistik rechter Gewalt liegt Sachsen-Anhalt, gefolgt von Brandenburg.

Vergeblich sucht man im neuen Verfassungsschutzbericht das Kapitel über die der Bedeutungslosigkeit entgegentrudelnden „Republikaner“: Es fehlt erstmals seit Anfang der 90er-Jahre– der PDS hingegen widmet die Behörde weiterhin einen Abschnitt. Die Begründung findet sich in einer Fußnote: Es lägen „keine hinreichend gewichtigen“ Indizien für die Verfassungsfeindlichkeit der Reps mehr vor, steht dort. Bei der PDS sei dies anders, versicherte Fromm gestern: Es gebe weiter Hinweise für linksextremistische Bestrebungen in der Partei. Der Verfassungsschutz werde diese Position aber nach der Fusion von PDS und WASG neu bewerten.