„Verheerende Zustände“ für freie Schauspieler und Tänzer

KULTURPOLITIK Studie zeigt, dass Hamburg die freie Theater- und Tanzszene schwer vernachlässigt

Die Situation der freien Theater- und Tanzszene in Hamburg sei „verheerend“. Es fehle Geld, und die Förderinstrumente seien veraltet. Das kreative Potenzial – die „Forschungs- und Entwicklungsabteilung im Großbetrieb des subventionierten Theaters“ – sei massiv gefährdet, sagt Nikolaus Müller-Schöll. Er ist Professor für Theaterforschung an der Uni Hamburg und hat im Auftrag der Kulturbehörde eine „Potenzial-Analyse“ der freien Szene erstellt und am Freitagabend im Kulturausschuss präsentiert.

Demnach ist es kein Zufall, dass viele Künstler Hamburg verlassen: Zu enge Antragsfristen, die Pflicht, in Hamburg zu wohnen sowie die Forderung, 25 Prozent des zu fördernden Projekts selbst zu bezahlen, haben die 130 befragten Theatermacher als wichtigste Hindernisse genannt. Zudem fehlten Wohn- und Probenräume sowie Spielstätten. Und der Projekt-Fördertopf von 300.000 Euro reiche für Hamburgs 1.500 freie Künstler nicht. Müller-Schöll fordert eine Aufstockung um 250.000 bis 500.000 Euro.

Das findet auch Andreas Lübbers. Er leitet des Sprechwerk, eine der Spielstätten der freien Szene. Derzeit könne man nicht einmal Wiederaufnahmen finanzieren, weil die Behörde maximal sieben Aufführungen pro Stück fördere, sagt er. „Wenn wir es lohnend finden, ein Stück 14 Mal aufzuführen, scheitert das am Geld.“ Denn 5.000 Euro pro Produktion könne auch das Privattheater nicht aufbringen.

Abgesehen davon, ergänzt Monsun-Theater-Chefin Ulrike Kieseritzky, „plädiere ich dafür, dass die Künstler die Projekte nicht zu 25 Prozent selbst zahlen müssen“. Das sieht Müller-Schöll genauso. Er fordert eine Reduktion dieses Eigenanteils auf maximal fünf Prozent. Damit Hamburg, so Lübbers, „nicht nur Tor, sondern auch Bühne der Welt wird“ und die freie Szene ins Stadtmarketing einbezieht. „Wir brauchen“, sagt Lübbers, „eine einladende Atmosphäre. Und die muss politisch gewollt sein.“

Ob die Kulturbehörde das will, wird sich erweisen. Anregungen für die kommenden Haushaltsberatungen hat sie ja nun. PS