: Industrie will Erde weiter umsonst heizen
Stromkonzerne und Industrie kämpfen gegen die Pläne zur Versteigerung von Kohlendioxid-Zertifikaten. Das sorge für steigende Strompreise. SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber hält dagegen und sagt: „Kohlendioxid muss seinen Preis haben“
AUS BERLIN RICHARD ROTHER
Wenn Klimapolitik konkret wird, gerät sie schnell in Konflikt mit mächtigen Interessengruppen. Stromwirtschaft und Industrie laufen Sturm gegen die Pläne des Bundestages, künftig einen Teil der Emissionsrechte für das klimaschädliche Kohlendioxid (CO2) zu versteigern. Bislang gibt der Staat diese Verschmutzungsrechte kostenlos ab. Eine Auktionierung der CO2-Emissionsrechte treibe die Strompreise unnötig in die Höhe, kritisierte gestern der Geschäftsführer des Verbandes der industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK), Alfred Richmann. Der Verband vertritt die Interessen der energieintensiven Unternehmen verschiedener Branchen, etwa Aluminium-, Glas-, Stahl- oder Zementhersteller.
Der Handel mit Emissionsrechten läuft seit 2005. Industrie und Kraftwerke bekommen eine bestimmte Menge von Verschmutzungsrechten kostenlos zugeteilt. Kommen sie damit nicht aus, müssen sie Emissionsrechte hinzukaufen; sparen sie ein, dürfen sie verkaufen. Dieses bislang wenig wirksame System soll zu einer Reduzierung der Kohlendioxid-Emisionen führen.
2008 beginnt eine neue Handelsperiode für die CO2-Zertifikate. Dann sollen 10 Prozent der Kohlendioxid-Zertifikate versteigert werden, wie Vertreter von Koalition und Opposition im Bundestag im Mai betonten. Das Parlament hatte sich dabei erstmals mit dem Zuteilungsplan der Bundesregierung für den Emissionshandel ab 2008 befasst. Dieser begrenzt auch die Menge des Kohlendioxid-Ausstoßes, der für Treibhauseffekt und Erderwärmung verantwortlich ist. Künftig sollen Kraftwerke und Fabriken in Deutschland jährlich noch 453 Millionen Tonnen Kohlendioxid emittieren dürfen, zuletzt lag der CO2-Ausstoß bei 475 Millionen Tonnen jährlich. Am Montag befasst sich der Umweltausschuss des Bundestages mit dem Thema.
„Die Versteigerung von CO2-Emissionsrechten wäre eine falsche Weichenstellung, und zwar vor allem zu Lasten der Strom- und Energiekunden“, kritisierte VIK-Geschäftsführer Richmann. „Die Auktionierung treibt die Strompreise hoch.“ Eine Versteigerung könne die Stromkonzerne dazu motivieren, durch Überwälzung der Auktionspreise auf das ohnehin zu hohe Strompreisniveau weiter draufzusatteln und sich so das Geld zurückzuholen. Zudem könnten sich weltweit operierende Kapitalanleger – Banken, Versicherungen, Pensionsfonds – an der Versteigerung der Emissionsrechte beteiligen, was ebenfalls preistreibend wirken könnte. Mögliche Spekulationen und eine weitere Verknappung der Zertifikate gingen zu Lasten der Industrie, die real produziere.
Häufig stehen sich VIK und Stromkonzerne als Kontrahenten gegenüber, in der Ablehnung der Versteigerungslösung sind sie sich aber einig. Langfristig würden sich dadurch sicher Strompreiseffekte ergeben, so RWE-Manager Henning Rentz. In der Tendenz könnten weniger Kohlekraftwerke, dafür aber mehr Gaskraftwerke gebaut werden. Diesen durchaus sinnvollen und gewünschten Effekt stellt Rentz in Frage: Dies habe nämlich negative Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit.
SPD-Bundestagsfraktionsvize Ulrich Kelber wies die VIK-Kritik gestern im Gespräch mit der taz zurück. „Kohlendioxid-Emissionen müssen ihren Preis haben.“ In der nächsten Woche sollten die Eckpunkte einer künftigen Regelung festgelegt werden. Die Einnahmen aus der Versteigerung werde der Staat nicht verplempern, sondern zu Gunsten der Stromkunden verwenden. Denkbar sei die Einrichtung eines Fonds, mit dem etwa Maßnahmen zur Steigerung der Energie-Effizienz finanziert werden. „Dann sinkt der Verbrauch, und alle haben etwas davon.“
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