: Insel der Seefahrer und Heiligen
KAMPANIEN Procida ist eine kleine Insel im Golf von Neapel, ohne Müll- und Kriminalitätsprobleme
■ Anreise: Mit der Fähre oder dem Tragflächenboot von Neapel oder Pozzuoli aus. Preise: zwischen 8 und 13 Euro. In Neapel legen die Schiffe entweder Molo Angioino oder Beverello ab. Vom Flughafen gibt es Busse zum Hafen.
■ Bevölkerung: Auf der vier Quadratkilometer großen Insel leben rund 10.000 Menschen.
■ Das Museum befindet sich im nordöstlichen Zipfel der Insel, in der Via Salita Castello, geöffnet täglich 16 bis 20 Uhr.
■ Glauben: Die Karfreitagsprozession gibt es seit dem 17. Jahrhundert, die ursprünglich von den Turchini, in blau gekleideten Laienbrüdern, veranstaltet wurde. Neben den historischen Holzfiguren aus der Passionsgeschichte werden 45 selbst entworfene und gebaute Szenenbilder auf schweren Holzfundamenten durch die Straßen der Altstadt getragen.
■ Literatur: Elsa Morante schrieb 1957 den Roman „Arturos Insel“, der das Coming-of-Age eines Fischerjungen beschreibt, der sich in seine Stiefmutter verliebt.
Anders als Capri. Anders als Ischia. Die Zitronen größer, die Strände dunkler. Procida ist ursprünglicher, authentischer als seine bekannten Schwestern – einfach „normaler“, sagt Fabrizio Borgogna, der Tourismusbeauftragte der Insel.
Vor allem ist Procida nicht so überlaufen. Tagsüber spucken zwar die Fährschiffe – Procida liegt auf halber Strecke zwischen Neapel und Ischia –Touristen aus, die meisten verschwinden aber gegen Abend wieder. Und dann wird es ruhig und Zeit für einen Aperitif am Hafen Sancio Cattolico.
Zehntausend Einwohner zählt die Insel, die noch nicht mal vier Quadratkilometer groß ist. Etwa ein Viertel der Inselbewohner pendelt täglich, um in Neapel oder auf Ischia Geld zu verdienen. Nur vierzehn Hotels zählt die Insel, die meisten mit nicht mehr als zehn Zimmern. Dazu kommen noch Apartments und fünf Zeltplätze. Ein paar kleinere Restaurants und Läden. Keine Disco, keine Shopping Mall.
Dass es keine großen Hotelbauten auf Procida gibt, habe auch seinen Grund in der rigiden Baugesetzgebung der sechziger Jahre, erklärt Fabrizio Borgogna. Es sei quasi unmöglich, legal etwas Neues zu bauen; ein Gesetzesvorschlag sei in Arbeit. Nicht mal ein Schwimmbad oder ein Krankenhaus gebe es auf Procida. Große Träume darf der Tourismusbeauftragte eh nicht hegen. Was soll er Kongresse oder andere Veranstalter auf die Insel locken, wenn er nicht weiß, wo er die Besucher unterbringen soll.
Es ist schön ruhig auf der Insel, die nur vier Ortschaften hat. Das muss man mögen. So wie schwimmen, spazieren gehen, lesen, essen. Viel mehr gibt es hier nicht zu tun. Große Wanderungen? Dafür ist die Insel zu klein. Fahrradfahren? Nur auf dem Elektrobike, das viele Inselbewohner benutzen. Der Boden der Insel ist vulkanisch, der Sand an den drei Stränden dunkel. Das Wasser ist sauber, der Müll wird abgeholt, normalerweise.
Es gebe sogar noch Fischer auf Procida, berichtet Borgogna. Und echte Seeleute, ausgebildet in der berühmten Seefahrerschule Procidas, der ältesten Italiens. Darum seien alle Häuser rund um den Fischereihafen Corricella verschieden bunt angemalt, damit die Seemänner von weitem ihr Haus erkennen konnten. Auch heute absolvieren noch viele junge Männer die Seefahrerschule, allerdings führen die wenigsten noch zur See, so Borgogna. Gerade an diesem Tag kommt die Nachricht, dass Somalier wieder ein Schiff gekapert haben. An Bord mehrere Italiener, zwei sind Procidaner.
Im kleinen Rathaus, wo auch Signore Borgogna sein Büro gleich neben dem Bürgermeister hat, herrscht Aufregung.
Borgogna fährt eins der inseltypischen kleinen Autos, das ihm als zweites Büro dient. Damit flitzt er kreuz und quer über die Insel. Klein müssen die Autos sein, sonst passen sie nicht durch die engen Altstadtgassen. Auch die Taxen, die man am Hafen besteigen kann, sind kleine motorisierte Kutschen, die die Hauptstraße der Insel hochkriechen.
Kein Ort für Luxuskarossen. Die Einwohner der Region Kampanien dürfen in den Sommermonaten nicht mit ihrem Auto nach Procida übersetzen. Die Procidaner legen Wert darauf, dass die Insel ruhig bleibt.
Kriminalität? Pah, sagt Fabrizio Borgogna stolz. Neapel hat davon schon genug. Durch die vielen Seeleute war Procida schon immer relativ wohlhabend. Viele Familien konnten sich früher sogar eigene Kappellen und Priester leisten.
„Die jungen Menschen sind heute nicht mehr so religiös“, sagt Signora Giovanni vom Hotel Savoia mit leichtem Bedauern. Aber die Traditionen wahren die Jungen weiter. Monatelang hämmern, sägen, basteln die Inseljugendlichen für die Karfreitagsprozession. Sie ist der Höhepunkt der Osterwoche, der Höhepunkt des Jahres. Dass alle mitmachen, darauf ist man in Procida besonders stolz. SABINE SEIFERT