piwik no script img

Archiv-Artikel

Wachsende Festspiel-Familie

KLASSIK-MUSIKFESTIVAL Mit über 120 Konzerten an über 80 Spielorten präsentieren die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern auch dieses Jahr ein vielfältiges Programm. Vor allem stützt sich das sommerliche Musik-Festival dabei auf die „Junge Elite“ und seine Preisträger

Ein Großteil des Programms liegt in den Händen des talentierten Nachwuchses

VON ROBERT MATTHIES

Christopher Park ist ein „junges Talent“ aus dem Bilderbuch: Schon im zarten Alter von 12 Jahren saß der heute gerade mal doppelt so alte Pianist in der Klasse von Thomas Duis an der Hochschule für Musik Saar am Klavier – als jüngster Student, den die Musik-Uni bis dahin aufgenommen hatte. Kurz darauf gab es die ersten Preise, vor sieben Jahren dann lud Lev Natochenny den begabten Bamberger in seine Meisterklasse an der Frankfurter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, wo er bis in dieses Jahr studiert hat.

Eine seltene „sofortige musikalische Auffassungsgabe“ und „ein musikalisches Talent ersten Ranges“ bescheinigt der renommierte Piano-Professor seinem Schüler. Der konnte auch international schon überzeugen: 2008 spielte er sich mit Liszt, Chopin und Prokofjew beim New Yorker Summit Music Festival auf den zweiten Platz – vor rund 200 PianistInnen aus aller Welt. Im letzten Jahr schließlich hat er sein Solo-Debüt-Album vorgelegt: „Russian Transcriptions“ mit Transkriptionen von Prokofjew, Rachmaninoff, Strawinsky und Kapustin. Mit letzterem teilt Christopher Bach auch die Begeisterung für „sinfonischen Jazz“ – immer wieder finden sich zwischen Liszt und den Russen Keith Jarrett oder George Gershwin im Programm.

Bei Parks Konzert im Rahmen der diesjährigen Festspiele Mecklenburg-Vorpommern am Freitag stößt indes ein Franzose dazu: zu hören gibt es vom jungen Talent, dessen Spiel die F.A.Z. als „avanciert, surreal, ins Delirienhafte entrückt“ beschreibt, in der Nakenstorfer Kunstscheune am Neukloster See neben jeweils drei Stücken von Liszt und Strawinsky Maurice Ravels „Valses nobles et sentimentales“ – deren Klavierfassung noch bei der Uraufführung vor genau 100 Jahren angesichts ihrer Dissonanzen wütenden Protest hervorrief.

Seine Chancen auf einen der im Rahmen der Festspiele ausgelobten Nachwuchs-Preise mindert Park damit sicher heute nicht mehr. Das einzige außergewöhnlich begabte „junge Talent“, das diesen Sommer zwischen Kloster, Pasewalk, Neu Drosedow und Zarrentin zu hören ist, ist er allerdings bei weitem nicht: zehn Ensembles und 34 SolistInnen aus aller Welt haben die Talentscouts der Festspiele dieses Jahr für die Reihe „Junge Elite“ eingeladen. Denn der Fokus auf den vielversprechenden Nachwuchs ist schon lange – nicht zuletzt aus finanziellen Erwägungen – das erklärte „Herzstück“ des Festivals: statt arrivierte Stars des internationalen Klassikmarkts einzukaufen, legen die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern einen Großteil des Programms in die Hände des talentierten – und hoffnungsvollen – Nachwuchses.

Dessen Entwicklung kann man deshalb auch hier so genau mitverfolgen wie selten. Denn mit der Verleihung eines Preises ist zugleich ein „Recht auf Wiedereinladung“ verbunden – und auf Seiten des Festivals die Hoffnung, das ebenjenes wahrgenommen wird. So bestreitet etwa Li-Wei Qin als „Preisträger in Residence“ in diesem Jahr immerhin mehr als ein Zehntel der über 120 Konzerte: 2001 hat der chinesische Cellist den Solistenpreis bekommen, seitdem hat er seinen Ruf international gefestigt, heute spielt er mit den renommiertesten Orchestern. Sogar ihren Künstlerischen Direktor Daniel Hope haben die Festspiele aus der beständig wachsenden Familie ihrer Preisträger rekrutiert: 1997 war der südafrikanisch-britische Violinist Festspiel-Preisträger, neun Jahre später kehrte er als Preisträger in Residence zurück, heute prägt er das Gesicht des Festivals auch mit einer eigenen musikalischen Reihe – der auch die internationalen Kontakte des Geigers, Autoren, Musikaktivisten und Produzenten zugute kommen: Im Rahmen von „Hope’s Music“ sind in diesem Jahr unter anderem die Chamber Music Society des New Yorker Lincoln Center, die Academy of St Martin in the Fields oder das Emerson String Quartet zu Gast.

Ein Konzept das aufgeht: mit über 70.000 Besuchern im letzten Jahr haben sich die Festspiele Mecklenburg Vorpommern in den letzten 21 Jahren zum drittgrößten Klassik-Sommerfest Deutschlands entwickelt.

■ noch bis So, 11. 9.; Infos und Programm: www.festspiele-mv.de