: Partner für Behinderte
BEZIEHUNGEN Der Verein „Schatzkiste“ ist Vorreiter bei der Partnervermittlung für Behinderte. Eine früher angebotene Sexualberatung wurde eingespart
Er sei auf der Suche nach dem „Mann fürs Leben“, sagt Bertold: „Einen, der sich für Fotografie interessiert, so wie ich. Und gut muss er aussehen.“ Eigentlich heißt Bertold anders, der 48-Jährige ist Autist und setzt bei seiner Partnersuche auf die „Schatzkiste Hamburg“.
Die gibt es seit 1998 als kostenloses, spendenfinanziertes Angebot der Evangelischen Stiftung Alsterdorf. Der Verein war die erste und lange Zeit die einzige Partnervermittlung für Menschen mit Behinderungen in Deutschland. Eine integrierte Sexualberatung wurde mittlerweile eingestellt – trotz großer Nachfrage. Mittlerweile gibt es bundesweit 50 Schatzkisten, weitere in Österreich und Italien.
Der Mann hinter dem Ganzen ist Bernd Zemella. Der 64-Jährige ist Psychologe im Vorruhestand und hat bereits mehrere hundert Treffen zwischen behinderten Menschen arrangiert. „Bis zu 100 langfristige Partnerschaften“ seien daraus entstanden, sagt er. Ganz einfach sei die Vermittlung allerdings nicht: Er agiere in einem Spannungsfeld zwischen Fürsorglichkeit und Bevormundung. Am ehesten gehe der Partnerwunsch in Erfüllung, „wenn sich die behinderten Menschen von hochgestochenen Traumvorstellungen verabschieden“.
Und entsprechend aufgeklärt werden: Als Psychologe übernahm er fast zeitgleich mit Entstehung der Schatzkiste den Fachdienst Sexualberatung. „Irgendwie kristallisierte sich heraus, dass viele behinderte Menschen überhaupt nicht wissen, was sie tun oder tun müssen – hinsichtlich Verhütung zum Beispiel.“
Schon in den 80er Jahren hatte sich Zemella dieses Themas angenommen – damals ging es vor allem um den Schutz vor HIV. Er merkte: „Ich muss spezielle Lehrmittel anbieten, um etwa Lernbehinderten ganz anschaulich und einfach darzustellen: Sex – was ist das und wie geht das?“ Viele kämen erst sehr spät in die Pubertät und könnten ihre Gefühle überhaupt nicht einordnen. Auch Angehörige täten sich oft sehr schwer mit dem Thema.
Also machte sich der Psychologe daran, eigene Lehrmittel zu basteln, weibliche und männliche Torsi aus Styropor zum Beispiel. Und er drehte mehrere Aufklärungsfilme mit behinderten Menschen.
Zemella bedauert, „dass es diese Sexualberatung nicht mehr gibt, obwohl noch immer ein hoher Bedarf besteht“. Der Fachdienst Sexualberatung sei aus Geldmangel eingestellt worden, sagt Michael Wunder, Leiter des Beratungszentrums und Zemellas ehemaliger Chef. Lediglich die „Schatzkiste“ könne für die nächsten drei Jahre aus Spendenmitteln finanziert werden.
Weil aber draußen, am Haus auf dem Gelände der Stiftung Alsterdorf, noch immer das Schild „Fachdienst Sexualberatung“ hänge, würden sich weiterhin Menschen mit psychosexuellen Problemen an das Beratungszentrum wenden. Und die, sagt Wunder, könnten sich immerhin bei der psychiatrisch-psychotherapeutischen Ambulanz oder beim Fachdienst Psychologie beraten lassen. DANIELA BARTH