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Archiv-Artikel

„Kein Pleinair ohne Tube“

VORTRAG Warum Hermine Overbeck und Kollegen im Freien malten, erfährt man Samstag in Vegesack

Von BES
Katerina Vatsella

■ 58, promovierte Kunsthistorikerin, arbeitet als freie Kunstvermittlerin und ist seit 2003 Kuratorin des Bremer Kunststipendiums

taz: Frau Vatsella, Freiluftmalerei, das Pleinair, ist uns fremd geworden …

Katerina Vatsella: Das kann man sagen. In der Gegenwart reagieren die KünstlerInnen eher auf den Raum, in dem sie ausstellen. Und sie interessieren sich oft mehr für kunstimmanente Fragen als etwa für Landschaften.

Also gab es die Freiluftmalerei nur im 19. Jahrhundert?

Nein, schon noch bis etwa zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Vor dem 19. Jahrhundert entstand die Kunst im Atelier, die Maler orientierten sich an den alten Meistern.

Aber was trieb die KünstlerInnen ins Freie? Nur die Vorstellung, dass „Nach der Natur zu malen doch erfreulicher“ wäre, wie Ihr Vortrag heißt?

Das ist ein Zitat von Hermine Overbeck-Rohte. Das ist authentisch das Gefühl ihrer Zeit. Es gibt ja eine regelrechte Stadtflucht, wie man auch an der Gründung der vielen, vielen Künstlerkolonien sieht

Barbizon nennen Sie, und Worpswede …

Ja, die eine als ein Anfang der Bewegung, und Worpswede als eine späte Gründung. Aber es gab ja sehr viel mehr.

Nur, wieso?

Einerseits wehrte man sich gegen die akademischen Regeln. Es ging ums Abstreifen der engen Vorgaben, ums Licht, und den Wunsch, wieder zur Natur zu kommen.

Ein rousseauistischer Impuls?

Ja, und ein romantischer. Zugleich spielen technologische Neuerungen eine Rolle.

Welche?

Vor allem zwei. Erstens der Bau der Eisenbahnlinien: Durch die wurden Dörfer wie Barbizon zu einer Art Vorort von Paris, man konnte einen Tagesausflug dorthin machen – und zum Schlafen in die Stadt zurückkehren.

Und zweitens?

Die Erfindung der Farbtube.

Ach?

Ja, kein Pleinair ohne Tube. Erst dadurch, dass die MalerInnen ihre Farben nicht mehr aufwendig selbst mischen mussten, sondern fast jeden Ton fertig kaufen und mitnehmen konnten, war es möglich, draußen zu malen. Bis 1841 konnte man im Freien nur zeichnen oder aquarellieren. INTERVIEW: BES

„Nach der Natur zu malen ist doch erfreulicher“, Vortrag zur Hermine- Overbeck-Rohte-Ausstellung, Overbeck-Museum, Sa 19 Uhr