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Archiv-Artikel

BOULEVARD DER BESTEN: HENNING BLEYL Der Einheimser

Die taz versucht nach Kräften, ein kinderfreundlicher Betrieb zu sein: Sie zahlt zum Gehalt einen Kinderzuschlag und ist maximal flexibel bei der Gestaltung der Wochenarbeitszeit. MitarbeiterInnen können ihren Stellenumfang unbürokratisch reduzieren, auf 90, 85, 70, 25 Prozent oder irgendwas dazwischen, wenn der Nachwuchs sie gerade dringend zu Hause braucht. Einziges Problem: Das ohnehin karge Gehalt schrumpft mit.

Weil Kinder aber nicht nur Zeit, sondern auch Geld kosten, ein nicht ganz unerheblicher Faktor, weswegen in der taz und in tazler-Familien oft um jede Stunde Regelarbeitszeit gefeilscht wird. Manchmal bleibt sogar nichts anderes, als einen Tag weniger in der taz zu arbeiten, um in der Zeit anderswo mehr Geld zu verdienen.

Henning Bleyl aus der Bremer taz-Redaktion hat schon das eine oder andere Modell probiert. Schließlich hat er darüber nachgedacht, wie aus der bereits geleisteten Arbeit und ihren Qualitätsprodukten mehr Lohn herauszuholen wäre. Also hat er angefangen, Journalistenpreise zu sammeln.

2014 war ein exzellentes Jahr für den Mann, der 2001 als Kulturredakteur nach Bremen kam, aber regelmäßig weit über dieses Themenfeld hinausgreift. Im Mai holte er beim alternativen Medienpreis in Nürnberg den zweiten Preis, im Juni bekam er den Publizistenpreis des Deutschen Bibliotheksverbandes und schließlich im November den Dietrich-Oppenberg-Preis, den die Stiftung Lesen mit der Stiftung Presse-Haus NRZ vergibt. Alles zusammen ein schöner Beitrag zum Haushaltseinkommen, gleichzeitig aber auch zum Renommee des Autors – und der taz.

Das Schöne ist, dass Henning Bleyl für Themen ausgezeichnet wurde, die ihm persönlich am Herzen liegen: für eine Bestandsaufnahme, welche NS-Gesetze bis heute fortwirken, die auch die Landesregierung Schleswig-Holstein zu einer Inventur inspiriert hat. Oder für eine Serie darüber, welche gesellschaftliche Rolle Bibliotheken im digitalen Zeitalter (noch) zukommt. Den Dietrich-Oppenberg-Preis erhielt er für eine Folge daraus: über die südlichste Bibliothek der Welt in der Antarktis. Die Jury lobt die poetische Sprache, mit der er die Bedeutung des Lesens an diesem unwirtlichen Ort beschreibt. Und das, ohne je dort gewesen zu sein! JAN KAHLCKE