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Archiv-Artikel

Stricken für die Großstadt

VOLKSHOCHSCHULE I Die Hamburger Volkshochschule will unter dem Motto „Einmischen“ Bürger zu Veränderungen motivieren. Kursteilnehmer können Veganer werden, Suaheli lernen oder Teil der Strick-Guerilla werden

VON CHARLOTTE ZINK

Wie es geht, auf Fleisch, Eier, Milch und alle anderen tierischen Produkte zu verzichten, kann man ab November in der Volkshochschule (VHS) lernen. Denn zum Semesterstart am 12. September bieten die Programmmacher ungewöhnliche Kurse, unter dem Motto „Einmischen!“ zusammengefasst.

Entstanden ist dabei eine ziemlich bunte Mischung. So stehen neben Kursen wie „Vegan im Selbstversuch“ auch Angebote wie „Mehr Mut im Alltag“ auf dem Programm. Auch was „Hakuna matata“ bedeutet, kann man ab dem Herbst lernen. Denn mit Suaheli steht dann zum ersten Mal eine afrikanische Sprache auf dem Stundenplan. Eine Folge der 2010 von Hamburg eingegangenen Städtepartnerschaft mit der tansanischen Metropole Dar es Salaam.

„Einmischen kann man sich auf vielen Wegen“, sagt die Sprecherin der VHS-Leitung Hannelore Bastian, „sei es dadurch auf Tierprodukte zu verzichten oder neue Sprachen zu lernen.“ Ziel der Kampagne ist es, dass die Bürger aktiv werden. Und zwar am besten für ihre Stadt. So soll beispielsweise für Hamburgs Straßen gestrickt werden. Dafür werden in der „Experimentellen Wollwerkstadt“ die Nadeln klirren. In einigen deutschen Städten ist dieser von der Guerilla-Strick-Bewegung in England inspirierte Trend schon angekommen, bei dem die Straße mit Wollkunst verschönert wird.

Erst kürzlich wurden vor der Frankfurter Börse Bulle und Bär mit einem großmaschigen, bunt gestrickten Teppich bedeckt. In Düsseldorf bekommen Ampeln und Straßenlaternen kurzerhand gelbe Wollmäntel mit schwarzem Radioaktivzeichen übergestülpt. Denn dort strickt die Gruppe „Fluffy on Tour“ gegen Atomkraft.

Jetzt soll die ungewöhnliche Straßenkunst auch Hamburg erobern. Leiten wird den Kurs Carmen Ripper. Sie unterrichtet mehrere Strick- und Häkelkurse an der Volkshochschule. Angefangen zu stricken hat Ripper bereits in der Grundschule. Damals waren es zunächst Kleidungsstücke für ihre Monchichis. Seit drei Jahren hat sie ihr eigenes Strick-Label. Ihre Waren werden in sieben Läden in Hamburg und Braunschweig verkauft.

In ihrem neuen Kurs hofft sie, auf Gleichgesinnte zu treffen, die mit ihr die Stadt verschönern. „Ich bin gespannt, welche Ideen die Leute mitbringen“, sagt Ripper. Einen festen Plan, was gestrickt werden soll, gibt es nicht. Klar ist nur: Hamburgs Straßen sollen bunter werden. „Ob wir eine Gemeinschaftsarbeit machen oder viele kleine Sachen stricken und verteilen, überlasse ich den Kursteilnehmern“, sagt die Kursleiterin. Sie kann sich auch vorstellen, für eine politische Botschaft zu stricken.

Erfahrungen im „urban knitting“ - städtischen Stricken - hat die zweifache Mutter bereits gesammelt: An Fahrrädern, Haustüren und Zäunen verteilte sie kleine selbstgemachte Woll-Herzen. „Es macht mir Spaß, den Alltag anderer ein bisschen aufzulockern“, sagt die 42-Jährige. Und das scheint gut anzukommen: „Neulich habe ich gesehen, dass eins der Herzen immer noch an einer Haustür hängt“, berichtet Ripper. Solche Momente motivieren sie weiterzumachen.

Aufmerksam geworden auf die Strick-Bewegung ist sie im Internet: Oft werden Fotos des Gestrickten hochgeladen. Denn lange bleibt das meist nicht an seinem Platz in der Stadt. Trotzdem wird fleißig weiter gestrickt. „Wenn sich auch nur ein paar Leute an dem freuen, was wir machen, ist das ein Erfolg“, sagt die Kursleiterin. „Wir fangen im Kleinen an.“ Nach und nach sollen immer mehr Hingucker verteilt werden. Die bunte Wolle zwischen grauem Beton, der weiche Stoff auf hartem Stahl oder Asphalt. Das ist es, was die Strickexpertin fasziniert.

Einige Hamburger haben sich schon für den Kurs angemeldet. Besonders gefreut hat sie sich über eine ältere Dame. „Die Frau hat eine Arztpraxis und steht mitten im Leben“, sagt Ripper, „trotzdem nimmt sie sich Zeit, mit uns etwas zu verändern.“