: Streit um den Streik
ARBEITSKAMPF Mercedes-MitarbeiterInnen werden wegen „wilder Streiks“ abgemahnt. Während sich der Betriebsrat kämpferisch gibt, ist die IG Metall nicht begeistert von den Aktionen gegen die Leiharbeit
Volker Stahmann, IG Metall
Von einem Streik wollen die Mercedes-Beschäftigten nicht sprechen, die zum Jahreswechsel wegen „massiver Störung der Arbeitsabläufe“ abgemahnt wurden. Aber streiken dürften sie ja auch nicht, da zur Zeit keine Tarifverhandlungen stattfinden und politische Streiks in der Bundesrepublik verboten sind. Betriebsrat Gerwin Goldstein sagt, die Nachtschicht hätte lediglich „Informationsveranstaltungen“ durchgeführt, um gegen die geplante Auslagerung von rund 140 Stellen der Logistik an Leiharbeitsfirmen zu protestieren.
Auch wenn die jüngsten Abmahnungen sich auf Protestaktionen des vergangenen Monats beziehen, gärt der Konflikt schon länger. Bereits im November wurden MitarbeiterInnen abgemahnt. Doch da konnte der Betriebsrat noch schlichten. Insgesamt waren etwa 5.000 Beschäftigte an den Aktionen beteiligt.
Um wen es sich dabei handelt, wollte die Werksleitung anschließend in Personalgesprächen herausfinden. Goldstein spricht von „Verhören“: 80 MitarbeiterInnen der Nachtschicht hätten einzeln in der Personalabteilung vorsprechen müssen, wo sie nach Namen von Beteiligten gefragt worden seien. „Es ist aber kein Kollege umgefallen“, sagt Goldstein und lobt die innerbetriebliche Solidarität.
Eben die hätte er sich auch von der Gewerkschaft gewünscht. Der Geschäftsführer der IG Metall, Volker Stahmann ist allerdings alles andere als begeistert von den spontanen Aktionen der Belegschaft. „Streik ist die falsche Strategie“, sagt er der taz. Es gebe keine arbeitsrechtliche Grundlage, die Einführung von Leiharbeit durch Arbeitskampf zu verhindern. Sie politisch abzuschaffen, wertet Stahmann als ehrenwertes aber unrealistisches Ziel. Letztlich liefe das auf die Forderung nach einem Generalstreik und er sei kein Freund „französischer Verhältnisse“.
Der Streik für politische Ziele ist in Deutschland verboten, weil der Gesetzgeber frei von Zwängen entscheiden soll. Außerdem könnten die Gewerkschaften so Politik ohne parlamentarische Mehrheiten machen. Die Rechtslage und ihre Auslegung sind allerdings seit Jahrzehnten umstritten. Betriebsrat Goldstein bezeichnet Stahmanns Haltung als „demoralisierend“.
Die Auseinandersetzung will der Betriebsrat aber dennoch weiter führen. Sobald am Montag der Weihnachtsurlaub beendet ist, werden die Abgemahnten ihr weiteres Vorgehen beraten. Vor Gericht müsste dann allerdings jeder allein für eine Rücknahme der Abmahnung streiten. JAN-PAUL KOOPMANN