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Archiv-Artikel

„Die Klarinette ist sehr flexibel“

Das Land Niedersachsen verleiht Sabine Meyer heute den Praetorius-Musikpreis. Ein Gespräch mit der Klarinettistin über die Bedeutung ihres Instrumentes in der Klassik

SABINE MEYER, 48, spielt in Konzertsälen auf der ganzen Welt. Außerdem unterrichtet sie an der Musikhochschule Lübeck. FOTO: PROMO

taz: Frau Meyer, bei der Klarinette denken viele Menschen zuerst an Benny Goodman, an Militärkapellen, aber nicht an Klassik. Ein falsches Bild?

Sabine Meyer: Benny Goodman hat ja auch klassische Musik gemacht. Er hat unter anderem ein Mozart-Konzert eingespielt. So richtig wohl gefühlt hat er sich dabei glaube ich aber nie. Aber einige klassische Komponisten wie Bartók oder Hindemith haben für ihn auch Konzerte geschrieben.

Haben Sie den Eindruck, dass die Klarinette in der Klassik unterschätzt wird?

Das Problem ist, dass es, verglichen mit dem Klavier oder der Geige, nicht so eine umfangreiche Literatur gibt. Wir Klarinettisten haben beispielsweise nur ein Mozart-Konzert. Das ist natürlich eines der schönsten und wichtigsten Stücke, die es in der Literatur überhaupt gibt. Das Klarinettenkonzert ist das letzte Stück, das Mozart vollendet hat, danach kam nur noch das unvollendete Requiem. Das, was wir haben, ist schon eine tolle Literatur.

Was hat denn die Klarinette, was Geige und Klavier nicht haben?

Die Klarinette hat wahnsinnig viele Facetten, von der traurigen, sonoren Tiefe bis zum lebendigen Zwitschern. Sie ist sehr flexibel, und damit kommt sie der menschlichen Stimme am nächsten. Daran liegt es vielleicht auch, dass ihr Klang den Menschen sehr nahegeht und sie rührt. In Filmen, wenn es traurig oder spannend wird, wird oft eine Klarinette eingesetzt.

Hat die Klarinette in den letzten Jahren als Soloinstrument an Bedeutung gewonnen?

In den letzten 20 Jahren ist die Klarinette schon mehr in den Vordergrund gerückt. Es gab immer mehr Veranstalter, die gesagt haben: wir nehmen ein Klarinettenkonzert ins Programm. Die Hauptliteratur bleibt weiterhin im Orchester, aber die Solostücke sind eben auch sehr gehaltvoll: Reger, Weber, Mozart und Brahms haben alle am Ende ihres Lebens für Klarinette geschrieben, weil sie sich damit wohl am besten ausdrücken konnten.

Sehen Sie die Preisverleihung heute auch als Auszeichnung dafür, die Klarinette wieder mehr ins Bewusstsein gebracht zu haben?

Auch, ja. Ich glaube schon, dass ich etwas dazu beigetragen habe, dass die Klarinette als solistisches Instrument wieder mehr in den Vordergrund gerückt ist. Früher gab es vor allem Klavierabende und Streichquartette, und das war es dann schon. Ich war immer offen für Neues und wollte vor allem spannende Programme kreieren. Das honoriert dann auch das Publikum.

Ihr Mann spielt ja auch Klarinette. Bestimmt das Instrument ihr Leben?

Immer schon! Mein Vater war Musiker, mein Bruder ist auch Klarinettist. Das liegt schon in der Familie.

Haben Sie ein besonderes Lieblingsstück?

Wenn man sich mit etwas beschäftigt, dann ist das jeweilige Stück in dem Moment das wichtigste. Aber das Mozart-Konzert ist natürlich etwas, was mich schon mein ganzes Leben begleitet und dabei immer neu entsteht. Das Stück ist so genial, bleibt immer so spannend, dass man nie sagen kann: Ich bin damit fertig, ich hab es verstanden. Daher ist das schon eines der wichtigsten Stücke für mich und überhaupt für uns Klarinettisten. INTERVIEW: BENJAMIN GEHRS