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Archiv-Artikel

„Wir sind keine Kuratoren“

EXPERIMENTELLE MUSIK Der Klub Katarakt feiert dieses Jahr zehnjähriges Jubiläum. Die künstlerischen Leiter Jan Feddersen und Robert Engelbrecht über das Erfolgsrezept, Musik als Körper und die Bedeutung des Raumklangs

Robert Engelbrecht

■ 42, ist Komponist und Musiker und interessiert sich vor allem für Mikrotonalität, reine Stimmung und Drones. Mitbegründer des Kollektivs Nelly Boyd und künstlerischer Leiter des Klub Katarakt.

INTERVIEW ROBERT MATTHIES

taz: Herr Feddersen, Herr Engelbrecht, Ihr Klub Katarakt besteht nun seit zehn Jahren. Für ein Festival für experimentelle Musik ist das eine lange Zeit. Was ist das Erfolgsrezept?

Robert Engelbrecht: Wir sind ein Künstlerfestival. Entstanden ist es aus dem Impetus, unsere eigenen Stücke und Stücke von Kollegen angemessen zu präsentieren, weil es anderswo nicht geht. Das ist noch immer so. Wir sind keine Kuratoren, die gucken, was gerade hip ist oder was man machen muss. An allen Leuten, die wir einladen, haben wir ein Interesse als Komponisten oder Musiker. Die Musik, die wir präsentieren, ist sowohl für Zuhörer als auch für Musiker interessant. Diese Grenze wird aufgehoben: Musiker müssen zuhören und sind nicht nur Ausführende.

Jan Feddersen: Den Klub Katarakt gibt es schon seit 1992. Wir waren damals noch Studenten und es gab an der Hochschule nur ein Konzert pro Semester. Wir wollten Konzerte außerhalb der Hochschule, aber auch nicht an klassischen Orten machen. Die Geburt des Festivals war dann eine Neue-Musik-Party in der Markthalle Mitte der 1990er. Wir hatten drei Bühnen, Duralux-Flicker-Dia-Projektionen, ein E-Gitarrist hat sich einpacken lassen, es gab DJs. Eigentlich war schon so wie heute, aber eben an einem Abend.

Neue und experimentelle Musik schreckt immer noch viele ab, weil sie im Ruf steht, nur etwas für Spezialisten zu sein. Aber der Klub Katarakt hat ausdrücklich zum Anspruch, keine verkopfte Musik zu präsentieren.

Feddersen: Richtig, es geht bei uns eher um Musik, die einen Körper hat und andere Körper auch anregt oder durchdringt. Deshalb ist der Raumklang auch wichtig. Seit ein paar Jahren machen wir zum Beispiel regelmäßig Wandelkonzerte, bei denen man nicht stillsitzt, sondern durch die Hallen geht.

Engelbrecht: Wir haben mit unserem Komponistenkollektiv Nelly Boyd, in dem wir gemeinsam mit Peter Imig spielen, immer schon viel mit Raumklang gemacht. Ganz konkret, indem die Musiker verteilt sind. Zum anderen geht es aber auch darum, dass der Klang den Raum überhaupt erfahrbar macht: Du hast stehende Wellen, die sich verändern, wenn du durch den Raum gehst. Das hat uns schon immer fasziniert.

Ein immer wiederkehrendes Thema ist deshalb die Auseinandersetzung mit Komponisten, die sich seit den 1960ern mit der räumlichen Wirkung von Klängen auseinandersetzen?

Feddersen: Diese Auseinandersetzung mit Komponisten wie Alvien Lucier, La Monte Young, Rhys Chatham oder Phill Niblock gab es von Beginn an. Heute haben wir auf Kampnagel dafür ideale räumliche Bedingungen und eine tolle Technik.

In den vergangen Jahren konnte man spüren, dass das Interesse an experimenteller Musik in der Stadt wächst. Kommen heute andere Leute zum Festival als am Anfang?

Feddersen: Früher kamen sehr viele Leute aus unserem Freundes- und Bekanntenkreis, nicht mehr als 100 Leute. Heute kommen viel mehr und viele, die wir nicht kennen. Das hat sich stark verändert. Es kommen vor allem immer mehr junge Leute. Das Tolle ist, dass es auf natürliche Weise wächst. Aber es entstand eben auch aus einer Notwendigkeit und wurde von einem Teil der Szene getragen.

Jan Feddersen

■ 48, Komponist und Pianist. Gründete gemeinsam mit Jan Dvorak den Klub Katarakt, dessen künstlerischer Leiter er bis heute ist. Seit 2006 ist auch Feddersen Mitglied des Komponistenkollektivs Nelly Boyd.

Eine Besonderheit des Festivals ist seine Maxime, einen „Strom von Klängen, Bildern und Texten“ und eine Zusammenkunft unterschiedlicher Stilistiken und Gattungen zu präsentieren. Welche Rolle spielt das Multimediale?

Feddersen: Eine große Rolle spielt mittlerweile das Audiovisuelle. Das war schon immer unser Interesse, hat sich aber langsam entwickelt. Film ist meine zweite Leidenschaft und seit ein paar Jahren arbeiten wir mit der Kurzfilmagentur zusammen. Das haben wir einfach ausprobiert und die Erfahrung gemacht, dass das Publikum das auch liebt.

Zum zehnjährigen Jubiläum gratulieren Sie sich mit einem Porträtkonzert in eigener Sache.

Feddersen: Wir präsentieren dieses Jahr drei Künstler: die US-Amerikanerin Lois V Vierk und Marko Ciciliani – aber der erste Abend gehört uns.

Engelbrecht: Die Idee war, Leute, die über die Jahre mit uns gearbeitet haben, zu präsentieren und die Ursprungsidee noch einmal aufzugreifen: Es ist eben ein Komponisten- und Künstlerfestival. Zur Eröffnung gibt es Stücke von uns beiden, außerdem von Jan Dvorak, der das Festival in den ersten Jahren mitgeleitet hat, und von Ignacio Fernández-Bollo, der auch von Anfang an dabei ist. Wir performen selbst, haben aber auch ein Streichensemble engagiert, das Stücke von uns beiden spielt. Wir sind sehr gespannt, wie das in den hohen Hallen klingen wird.

■ Mi, 21. 1., bis Sa, 24. 1., Kampnagel. Infos und Programm unter www.klubkatarakt.net