: Mehr als nur gesundes Essen
PRODUKTION Auf der Grünen Woche zeigt mit der Berliner Biocompany ein Fachhändler, wie die ökologischen Lebensmittel vom Acker in den Biosupermarkt kommen
VON MICHAEL PÖPPL
Der ökologische Landbau in Deutschland legt weiterhin zu. Seit Jahren steigen sowohl Erträge als auch die Menge der biologisch bewirtschafteten Flächen. Im Jahr 2013 wurden auf mehr als einer Million Hektar biologische Produkte produziert, das sind 6,3 Prozent der gesamten Anbaufläche in den Bundesländern, eine Steigerung um rund ein Prozent zum Vorjahr. Auch die Zahl der ökologisch wirtschaftenden Betriebe ist gestiegen, 23.484 Ökohöfe zählte der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) 2014, auch hier eine Zunahme von rund zwei Prozent.
Kein Wunder also, dass der wachsende Biomarkt auch auf der Internationalen Grünen Woche (IGW) eine immer größere Rolle spielt. Die Leistungsschau der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft findet vom 16. bis 25. Januar in Berlin statt und feiert in diesem Jahr ihr 80-jähriges Jubiläum. Mehr als 500 Unternehmen aus allen deutschen Regionen stellen sich den rund 400.000 erwarteten Fach- und Privatbesuchern vor, über 1.600 Aussteller aus aller Welt präsentieren die Spezialitäten ihrer Länder, das Partnerland Lettland steht dieses Jahr im Mittelpunkt. Sieht man sich die Aussteller für 2015 genauer an, wird deutlich: Die einstige „Fressmesse“ verändert sich zusehends. Der Trend zur bewussten Ernährung ist auch hier inzwischen deutlich erkennbar, die Lebensmittelskandale der vergangenen Jahre wirken bei den Verbrauchern nach. So werden den Messebesuchern mit der „Allergy & Free From Show“ und der „V Delicious Show“ (siehe linke Seite) auch spezielle Informationsveranstaltungen zu vegetarischer und veganer Ernährung oder zum Thema Lebensmittelallergien angeboten.
„Bio – Mehr Platz für Leben“ heißt die diesjährige Devise in der Halle 1.2b, der „Biohalle“. Zwischen den Biolandwirten und den Öko-Verbänden wie Bioland, Demeter, dem BÖLW oder Naturland wird 2015 mit der Biocompany erstmals auch ein Fachhändler vor Ort sein. Kein Zufall: Die Biocompany, 1999 gegründet, ist inzwischen mit 34 Supermarktfilialen der Marktführer in der Region Berlin-Brandenburg. „Schon seit einiger Zeit haben wir mit dem Gedanken gespielt, ob wir unser Unternehmen auf der IGW präsentieren sollten“, so Geschäftsführer Georg Kaiser. „Vergangenes Jahr war ich wieder mit meiner gesamten Familie auf der Grünen Woche. In der Biohalle hatte ich plötzlich das Gefühl, das wir da mit unserer Philosophie sehr gut reinpassen.“ Dass sich eine mittelständische Biosupermarktkette auf der Leistungsschau der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft zeigt, ist eine logische Folge der wirtschaftlichen Entwicklung im Biohandel. Die Umsätze steigen stetig, im Jahr 2013 wurden 7,6 Milliarden Euro mit Ökolebensmitteln umgesetzt, erneut rund 7 Prozent mehr als im Vorjahr.
Auch bei den Besuchern der Grünen Woche, die nicht unbedingt zur klassischen Ökoklientel gehören, ist die Biohalle sehr beliebt. Das liegt zum einen am bunten Programm mit Hühnermobil, Mühlenfahrrad, Regenwurmschaukasten und Kochkursen (siehe auch nächste Seite), aber auch an dem gestiegenen Interesse an guter Ernährung. Menschen, die gerne kochen und beim Genuss Wert auf Qualität legen, sind bereit, dafür angemessenes Geld auszugeben. Davon profitieren vor allem die Biosupermärkte mit ihrem Vollsortiment. Der Einwand, Bio sei nur etwas für gut verdienende Großstädter, ärgert Georg Kaiser übrigens ganz besonders. Gerade wegen der Biosupermärkte sei es auch für Normalverdiener durchaus möglich, sich komplett mit gesunden Lebensmitteln zu versorgen: „Laut unseren internen Kundenbefragungen kommt der größte Teil unserer Käufer aus dem Mittelstand mit einem durchschnittlichen Einkommen von 1.500 bis 2.500 Euro netto. Gerade mal zwei bis drei Prozent haben ein Haushaltseinkommen von über 5.000 Euro netto.“
Auf der Grünen Woche will die Biocompany nun neben ihren Kunden auch die Gelegenheits-Biokäufer erreichen. „Wir wollen den Besuchern zeigen, welche Vielfalt es inzwischen an Biolebensmitteln und -produkten gibt“, sagt der Geschäftsführer. „Fair & Regional“ sei das Motto, für das er und seine Firma stehen. Die Zusammenarbeit zwischen örtlichen Bioproduzenten und Biofachhandel sei nur möglich, wenn ein enges Vertrauensverhältnis bestehe. Ein wichtiger Teil des Messe-Konzepts sei es deshalb auch, die gesamte Wertschöpfungskette der Produkte zu präsentieren, sagt Georg Kaiser: „Wie verläuft der Weg des Produkts vom Feld in den Laden? An unserem Stand werden der Getreidebauer zusammen mit dem Bäcker und dem Händler vor Ort sein und die Kunden können so sehen, wie die einzelnen Akteure bei uns zusammenarbeiten.“
Viele Lieferanten der Biocompany werden in den Messetagen vor Ort sein, drei von ihnen sind sogar ständig in der Halle: Die Biobäckerei Märkisches Landbrot, die Biomanufaktur Havelland, die Fleisch von artgerecht gehaltenen Havelländer Apfelschweinen verarbeitet und die Lobetaler Biomolkerei, die nicht nur für ihre gute Milchprodukte bekannt ist, sondern 2014 auch für ihr integratives Beschäftigungskonzept mit Behinderten ausgezeichnet wurde. Ein gutes Beispiel dafür, dass es bei Bio eben auch um mehr als nur ums gesunde Essen geht.