: Kampagne gegen Vattenfall gestartet
Umweltschützer fordern die Hamburger auf, dem Energieversorger für seine Atom- und Kohlepolitik die rote Karte zu zeigen und zu einem Ökostromanbieter wechseln. Rückenwind durch Klimadebatte und AKW-Pannen
Vattenfall könnte ein Opfer des Klimawandels zu werden: Ein Kreis von Umweltschützern will die Hamburger dazu bewegen, dem Energiekonzern zu kündigen. Statt Strom aus Atom- und Kohlekraftwerken sollen sie Ökostrom beziehen, wirbt die Initiative „Hamburg steigt um“, die sich gestern vorgestellt hat. Ihr Motto: „Tschüss Vattenfall!“
Mit der Kampagne reagieren die Umweltschützer zum einen auf die Brände und Pannen in den Vattenfall-Atomkraftwerken Brunsbüttel und Krümmel. Zum anderen protestieren sie gegen das geplante große Kohlekraftwerk in Moorburg, über das zurzeit in einer öffentlichen Anhörung in der Messe verhandelt wird.
Für ihren Aufruf nützen sie den Schwung, den die Klimadebatte vor knapp einem Jahr erhalten hat, als das Gutachten des ehemaligen Vizepräsidenten der Weltbank, Nicholas Stern, und der neuesten Berichts des Weltklimarats (IPCC) veröffentlicht wurden. Dazu kommt das wachsende Misstrauen der Kundschaft gegenüber Vattenfall wegen der Vorfälle in den Atomkraftwerken: Von Mai bis August hat der Konzern nach eigenen Angaben 100.000 Kunden verloren.
„Wir sind kein Bündnis großer Organistionen, sondern Privatpersonen, die über den Sommer zusammengekommen sind“, sagt Jürgen Fahrenkrug von „Hamburg steigt um“. Gut 15 Aktivisten aus verschiedenen Teilen der Anti-Atom-Bewegung bildeten den Kern der Gruppe. Sie bringen Kampagnenerfahrung mit und wollen „Vattenfall auf die Füße treten“. Um den Wechsel zu einem Ökostromanbieter zu erleichtern, wollen sie am 27. September in der Osterstraße 35 eine Stromwechselstube eröffnen, die montags bis donnerstags geöffnet sein wird. Weitere 100 Wechselstuben wollen sie bei Einzelhändlern einrichten. Dazu sollen Stromwechselpartys kommen, Aufkleber verteilt und Prominente gebeten werden, für den Stromwechsel zu werben. Am 6. Oktober wollen sie in Krümmel gegen eine Laufzeitverlängerung für das dortige Atomkraftwerk demonstrieren.
„Viele Menschen wollen wechseln, die brauchen nur einen kleinen Anstoß“, sagt Fahrenkrug. Um die Entscheidung einfach zu machen, empfiehlt die Kampagne vier Ökoversorger: die Elektrizitätswerke Schönau – den Stromversorger einer Schwarzwaldgemeinde, die beschloss, die Energiewende selbst zu bewerkstelligen; Greenpeace Energy, Naturstrom und Lichtblick. Alle vier liefern in ganz Deutschland. Sie sind nicht mit Atomstrom-Erzeugern verflochten und bieten Strom an, der zu mindestens 50 Prozent aus Erneuerbaren Energien stammt, der Rest aus Gaskraftwerken mit Kraft-Wärme-Koppelung.
„Vattenfall steht für uns als Symbol für die vier großen Energieversorgungsunternehmen in Deutschland“, sagt Jan Becker von der Kampagne. Wer von diesen Strom beziehe, finanziere eine schmutzige Energieerzeugung. Die Wechselkampagne sei ein Hebel, mit dem Vattenfall gezeigt werden solle, sagt Fahrenkrug, „dass es so nicht weitergehen kann“. GERNOT KNÖDLER