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Archiv-Artikel

Der Briefwechsel

Nirgendwo verbringen Kinder tagsüber mehr Zeit, kaum ein Thema beschäftigt Eltern so sehr. In der Schule wird Wissen vermittelt, hier beginnen Lebensläufe und Freundschaften fürs Leben. Was denken SchülerInnen über Lehrer, Mitschüler, Lehrpläne, Reformen und Verbote? Was meinen LehrerInnen dazu? An dieser Stelle erscheint in loser Folge ein Austausch zwischen SchülerInnen und LehrerInnen. Lust aufs Briefeschreiben? bildung@taz.de

DIE FRAGE

Muss Sport so dröge sein?

Der Sportunterricht läuft bei uns jedes Jahr nach dem gleichen Schema ab: Im Sommer haben wir Leichtathletik, das heißt, wir laufen eine Runde um den kleinen See vor unserer Schule, dann geht es zum 100-Meter-Lauf, Weitsprung oder Werfen. Manchmal kommt auch Kugelstoßen dran, aber das war’s dann auch schon mit der Abwechslung. Im Winter haben wir Turnen, gerade turnen wir zum zweiten Mal am Boden. Spielen wir Basket- oder Volleyball, zeigt uns der Lehrer wie man den Ball dribbelt beziehungsweise pritscht. Über Spieltaktik haben wir dagegen noch nie etwas erfahren.

Warum ist das so? Sind die Lehrer wirklich zu wenig qualifiziert oder fehlt Ihnen einfach die Motivation, einen abwechslungsreichen und spannenden Sportunterricht zu geben?

So haben wir beispielsweise noch nie Hockey oder Fußball gespielt, obwohl es im Geräteraum sowohl Hockeyschläger als auch Fußbälle gibt. Möchte man Tischtennis spielen oder Tanzen, kann man eine Arbeitsgemeinschaft am Nachmittag besuchen. Im regulären Unterricht werden uns solche Sportarten nicht angeboten.

Nach Auskunft der Lehrer gibt es Lehrpläne, in denen steht, was wir Schüler im Sportunterricht so treiben sollen. Ich frage mich aber, warum man nicht uns Schüler fragt, was wir uns unter einem guten Sportunterricht vorstellen. Meiner Meinung nach geht es im Sportunterricht doch darum, die Schüler zu motivieren, sich regelmäßig zu bewegen. Ist der Unterricht aber so monoton wie jetzt, verliert man schnell die Lust, sich zu beteiligen, und baut sogar eine Abneigung gegen dieses Fach und Sport im Allgemeinen auf.

Ich stelle mir vor, dass es für die Lehrer dagegen sehr bequem ist, jedes Jahr den gleichen Unterricht zu geben, da sie sich nicht neu vorbereiten oder sogar eine Fortbildung machen müssen. Oder?

Eva Marie Kaiser, 14 Jahre, besucht die 9. Klasse eines Gymnasiums in Berlin

DIE ANTWORT

Sportlehrer zu Talentscouts!

Sportunterricht sollte auf keinen Fall einseitig sein! Er sollte dazu dienen, den Schülern Zugang zu vielen Sportarten zu ermöglichen. Wenn die Schule entsprechend ausgestattet ist, sollten die Schüler also nicht nur Fußball oder wie in diesem Fall Basketball und Volleyball spielen dürfen, sondern auch Hockey, Tischtennis und Handball. Sportunterricht ist ein permanenter Schnupperunterricht, in dem der Sportlehrer auch die Funktion eines Talentscouts übernimmt.

Denn wann und wo bekommt man schon Gelegenheit Sportarten für sich zu „entdecken“? Ich selbst arbeite an einem Berufskolleg, an dem Sport ein Schwerpunkt ist. Also fragte ich eine engagierte Sportkollegin, was ihr wichtigstes Anliegen im Sportunterricht sei. Sie antwortete: „Es ist mein größtes Anliegen, den Schülern zu vermitteln und sie erfahren zu lassen, wie viel Spaß es macht, sich zu bewegen!“

Dieser Aspekt erscheint mir gerade heute wichtiger denn je. Schüler verbringen viel Zeit damit, auf ihr Handy zu glotzen und Nachrichten zu lesen. Das führt dazu, dass eine ganze Generation abgesehen vom Daumen die meisten Körperteile weniger bewegt als frühere Generationen. Der Sportunterricht verschafft hier ganz konkret Abhilfe.

Die zunehmende Digitalisierung ist ein weiterer Grund, weshalb ich vielseitigen Sportunterricht für so wichtig halte. Schule sollte vor allem ein Ort sein, an dem man lernt, gemeinsam Ziele zu erreichen. Der Sportunterricht bietet eine Möglichkeit, dem Trend hin zum digitalen, individualisierten und einsamen Lernen etwas entgegenzusetzen.

Vielleicht merkt euer Sportlehrer gar nicht, dass er immer dasselbe macht? Macht ihm nach dem Unterricht einen konkreten Vorschlag, wie ihr euch den Unterricht attraktiver vorstellen würdet.

Arne Ulbricht, 42, unterrichtet an einem Berufskolleg in Nordrhein-Westfalen