: Barschel-Affäre
1987 drohte der in Schleswig-Holstein bis dahin allein regierenden CDU ernsthafte Gefahr: Gegen Ministerpräsident Uwe Barschel, seit 1982 im Amt, stellte die SPD Björn Engholm auf, der gute Chancen auf den Sieg hatte. Der folgende Wahlkampf geriet zur Schlammschlacht: Barschel, der bisher eine Blitzkarriere hingelegt hatte und einer der jüngsten Ministerpräsidenten Deutschlands war, holte den Springer-Journalisten Reiner Pfeiffer in die Staatskanzlei. Der „Medienreferent“ startete zahlreiche Aktionen, um Engholms Ruf zu schädigen, unter anderem bezichtigte er ihn der Steuerhinterziehung, ließ ihn bespitzeln und verbreitete, der SPD-Mann habe AIDS. Kurz vor der Wahl berichtete der Spiegel erstmals über die Affäre, und direkt vor dem Wahltag, dem 13. September, sickerte durch, was der Spiegel am folgenden Montag berichten würde: Pfeiffer hatte eidesstattlich versichert, dass Barschel selbst Drahtzieher aller Intrigen gegen Engholm gewesen sei. Bei der Wahl erreichten CDU und FDP genauso viele Sitze wie SPD und SSW.
Am 18. September gab Barschel bei einer spektakulären Pressekonferenz sein „Ehrenwort, ich wiederhole, mein Ehrenwort“, nichts von den Machenschaften gewusst zu haben. Dennoch musste er, da Verdächtigungen und Vorwürfe nicht aufhörten, am 2. Oktober von seinem Amt zurücktreten. Er reiste mit seiner Frau Freya nach Gran Canaria und wenige Tage später allein zurück. Er übernachtete in Genf, wo er am nächsten Tag, dem 11. Oktober, tot in der Badewanne gefunden wurde. Die Genfer Polizei ermittelte schlampig, unter anderem stellte sich heraus, dass es keine Fotos vom Tatort gab, weil die Kamera nicht ausgelöst hatte. In der Folge häuften sich die Mord- und Verschwörungstheorien, Barschel wurde in der öffentlichen Wahrnehmung zum Sinnbild eines von der Macht verblendeten Politikers. Bei Neuwahlen im Mai 1988 siegte die SPD klar, Engholm wurde Ministerpräsident.
Doch „Waterkantgate“ war damit nicht beendet. In den 90er Jahren kam heraus, dass führende Mitglieder der SPD Geld an Pfeiffer gezahlt hatten – angeblich, weil der Journalist nach der Barschel-Affäre seine Stelle verloren hatte. Das Geld soll in einer Küchenschublade aufbewahrt worden sein: Die „Schubladenaffäre“ war geboren.
Es ging dabei um die Frage, wann wer in der SPD von den Intrigen Pfeiffers gewusst hatte und ob Informationen zurückgehalten wurden, um sie im strategisch günstigsten Moment zu veröffentlichen. Engholm hatte bei einem ersten Untersuchungsausschuss geschworen, erst aus dem Spiegel von den Aktionen erfahren zu haben. 1993 kam heraus, dass er vorher davon gewusst und einen Meineid geleistet hatte. Engholm, der als Kanzlerkandidat gehandelt wurde, trat zurück, seine politische Karriere war beendet. EST