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Archiv-Artikel

demo von oben Wenn der Postmann streikt

Viele Transparente hatten das Logo der PIN AG an den Seiten und sahen aus wie fabrikgefertigt. Auch die Sprüche waren nicht die üblichen: „Lieber Lohn und Brot statt Monopol und tot“ oder „Contra Bsirske als feigen von hinten Dolchstoß-Täter“. Die 400 Mitarbeiter der beiden Postdienstleister PIN AG und der TNT Post, die am Dienstag vom Potsdamer Platz zum Brandenburger Tor zogen, um gegen die Einführung von Mindestlöhnen zu demonstrieren, waren offensichtlich von ihrer Geschäftsleitung geschickt worden.

Die geplante Aufnahme der Postdienstleistungen in das Entsendegesetz soll am Freitag im Bundesrat beschlossen werden. Das würde 50.000 Stellen in der privaten Postzustellerbranche kosten, behauptet Holm Münstermann, Aufsichtsratsmitglied der PIN Mail.

Die Demonstration sei „voll daneben“ und „von der Geschäftsleitung initiiert“, sagte Betriebsrat Udo Raabe. Tatsächlich heißt es in einer internen E-Mail der PIN AG, die der taz vorliegt: „Ihr könnt durch die Teilnahme an der Demo euren Arbeitsplatz sichern … Ihr werdet trotzdem als anwesend geführt und bekommt die Zeit voll bezahlt.“ Mitgeteilt wurde den Mitarbeitern zudem, dass man nicht grundsätzlich gegen den Mindestlohn sei. „Lediglich die sofortige Einführung wollen wir verhindern … Der Mindestlohn kann kommen, aber lasst uns doch erst die Firma aufbauen.“

Einen direkten Zwang zum Demonstrieren habe es aber nicht gegeben, sagte ein Betriebsrat, der lieber ungenannt bleiben wollte. Obwohl er nach eigener Aussage nicht einmal 1.500 Euro brutto verdient, protestierte auch er gegen den geplanten Mindestlohn für Postler: „Mein Arbeitsplatz fällt weg. Danke, Herr Müntefering“, stand auf seinem Demoschild.

Genau so sahen es die anderen Demonstranten. Allein vier Busse mit Mitarbeitern der PIN AG waren aus Leipzig gekommen. Parolen wie „Wir wollen arbeiten gehen, auch für weniger ist es schön“ wurden vom Pritschenwagen vorm Brandenburger Tor durchs Megafon gerufen.

Münstermann, der im Auftrag der Axel Springer AG im Vorstand der Berliner PIN Mail AG sitzt, hatte eigens für die Demo auch eine der grün-blauen Jacken angezogen, die sonst die Postzusteller tragen. Eifrig erklärte er den anwesenden Journalisten, warum man den Mindestlohn ablehnt. 9,80 Euro, wie von Ver.di und Post vereinbart, könne sich die PIN AG nicht leisten. Allein in Berlin beschäftige die Firma rund 1.000 Angestellte. Die bekämen 8,23 Euro Stundenlohn.

Hauptkunde der PIN AG in Berlin ist übrigens der Senat, der seinen gesamten Briefverkehr über das Unternehmen abwickelt. JAN PIEGSA