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Archiv-Artikel

Karlsruhe skeptisch über Trojaner

Bundesverfassungsrichter äußern sich kritisch über Gesetz zur Online-Durchsuchung in Nordrhein-Westfalen. Sogar der Zugriff auf die Festplatte und die Überwachung der Tastatureingaben wäre für Beobachter möglich. Wichtige Entscheidung für Bund

AUS KARLSRUHE THOMAS SEYTHAL

Das Bundesverfassungsgericht hat Zweifel an der Rechtmäßigkeit der umstrittenen Regelung zur Online-Durchsuchung in Nordrhein-Westfalen anklingen lassen. Die Karlsruher Richter stellten bei der Verhandlung am Mittwoch dem Vertreter der Landesregierung mehrere kritische Fragen. Sie deuteten an, dass sie die Formulierung für nicht präzise genug halten. Die Entscheidung, die für das Frühjahr erwartet wird, hat weitreichende Folgen für eine Regelung auf Bundesebene, wo seit Monaten über die Ermittlungsmethode gestritten wird. Das Bundesinnenministerium verteidigte die geplante Einführung.

Mit dem Verfassungsschutzgesetz von Nordrhein-Westfalen ist es erstmals einer Behörde ausdrücklich per Gesetz erlaubt, heimlich Computer auszuspähen. Gegen die Regelung haben eine Journalistin, ein Mitglied der Linkspartei und drei Rechtsanwälte, darunter der frühere Innenminister Gerhart Baum, Beschwerde eingelegt. Sie sehen darin unter anderem einen Verstoß gegen das Recht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung, das im Grundgesetz garantiert ist.

Für Verwirrung sorgte bei der Verhandlung der Bevollmächtigte der nordrhein-westfälischen Landesregierung, Dirk Heckmann. Nach seinen Worten bezieht sich das Gesetz auf Kommunikationsdaten und nicht auf andere gespeicherte Informationen. Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier zweifelte an dieser Darstellung. Sein Kollege Wolfgang Hoffmann-Riem hatte schon zuvor erklärt, dass das Gesetz dem „Gebot der Normenklarheit genügen“ müsse.

Nach Ansicht des SPD-Innenpolitikers Dieter Wiefelspütz wird das Gesetz in Karlsruhe scheitern. „Ich bin der festen Überzeugung, dass das Verfassungsgericht das Gesetz mit Pauken und Trompeten verwerfen wird“, sagte der Bundestagsabgeordnete am Rande der Verhandlung. Auch bei einer Regelung auf Bundesebene sei es wichtig, das Gesetz klar zu formulieren.

Innenstaatssekretär August Hanning verteidigte angesichts der weltweiten Terrorbedrohung die geplante Einführung der Online-Durchsuchung auf Bundesebene. Deutschland könne jederzeit das Ziel von Anschlägen sein. Das Internet sei zum wichtigsten Medium für Terroristen geworden. In der Regierung gebe es aber noch keine Meinung, ob neben dem Bundeskriminalamt (BKA) auch der Bundesverfassungsschutz das Recht zur Online-Durchsuchung bekommen solle. Das Innenministerium will unabhängig von der Entscheidung in Karlsruhe zügig einen Gesetzentwurf vorlegen.

In Nordrhein-Westfalen darf der Verfassungsschutz bereits heimlich auf Computer zugreifen und Daten abrufen. In der Regelung sind keine Details genannt, denkbar ist laut Gericht der einmalige Zugriff auf die Festplatte, eine Datenüberwachung oder die Aufzeichnung von Tastatureingaben.

Kritiker argumentieren, dass Dokumente, die früher im Safe oder im Schubfach lagen, heute auf der Festplatte gespeichert sind und daher ebenfalls in den Schutzbereich von Artikel 13 des Grundgesetzes fallen. Den Beschwerdeführern zufolge verstößt das Gesetz auch gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Fernmeldegeheimnis und ist außerdem unverhältnismäßig. Das geänderte Landesgesetz ist seit Januar in Kraft. Die umstrittene Regelung ist noch nicht genutzt worden. Kritik an dem Gesetz äußerte auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar.

Am Wochenende war bekannt geworden, dass bayerische Ermittler heimlich Programme auf Rechnern von Verdächtigen installieren, um übers Internet geführte Telefongespräche zu überwachen. (ap)