: Piraten vor dem Parlament
Die Piratenpartei gründet sich in Niedersachsen, um bei der Landtagswahl 2008 anzutreten. Sie steht für den freien Informationsaustausch und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Überwachung ist ihr ein Graus
Im Logo der Piratenpartei sind die Segel schon gesetzt, aber noch will die Kogge der Freibeuter nicht volle Kraft auf den Landtag in Niedersachsen aufnehmen: 34 Tage vor dem Ablauf der Frist des Landeswahlleiters haben erst 365 Unterzeichner ihre Unterstützung für die Piraten zwischen Harz und Nordsee angesagt. Erst wenn der Verein bis Ende November 2.000 Sympathisanten zusammen hat, darf er bei der Wahl am 27. Januar antreten. Dennoch ist Christian Koch, der Spitzenkandidat werden soll, ganz zuversichtlich, wenigstens die erste Hürde zur Wahl zu nehmen: „Wir haben uns sogar schon überlegt, wie wir unsere Wahlwerbespots gestalten wollen“, sagt der 36-jährige Angestellte eines Handwerksbetriebs aus Hannover. Noch soll das aber geheim bleiben. Neben Niedersachsen wollen die Piraten, die sich im vergangenen Jahr in Berlin bundesweit gegründet haben, auch bei der gleichzeitig in Hessen stattfindenden Wahl in die Bütt gehen.
Auch wenn der Name vielleicht danach klingt: „Wir sind keine Spaßpartei“, sagt Koch. Bezeichnung wie Ziele stammen von den schwedischen Ur-Piraten, der Pyratpartiet. Auslöser für deren Gründung war die Blockierung eines schwedischen Servers zum Online-Tausch von Informationen und Songs durch die Musikindustrie, die zu einem nicht unerheblichen Aufruhr geführt hatte. „Die schwedischen Piraten haben bei den Wahlen ein Prozent der Stimmen bekommen und zu einem Umdenken beim freien Datenaustausch geführt“, sagt Koch. Die deutschen Piraten setzen sich deshalb wie die Parteiableger in Österreich, Spanien und Peru für freie Online-Wissensbörsen und für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. „Uns geht es nicht um Kinder, die sich Musik aus dem Netz saugen“, erklärt Koch. Lieber redet er vom „uralten Traum, weltweit Wissen auszutauschen“.
Dennoch ist auch Koch dagegen, dass die „deutsche Musikindustrie versucht, die Bürger zu kriminalisieren“. Wer seiner Schwester eine CD kopiert, kann heute schon mit dem Copyright in Konflikt geraten. Genauso wenden sich die Piraten gegen Patente von Software und Genen, sind für stärkeren Datenschutz und sorgen sich um die Privatsphäre. Nicht nur Kameras spähten die Bürger aus. „Mein Mobiltelefon kann heute auf 50 Meter genau geortet werden“, sagt Koch. Und: „Wer kontrolliert die Kontrolleure?“ Den Piraten ist die geplante Online-Untersuchung von Rechnern ein Graus. Koch: „Wir werden jetzt schon auf Schritt und Tritt überwacht.“
Aller Anfang ist schwer: Zwar hat die Landespartei schon 55 Mitglieder, darunter Computerfreaks, Studenten oder Lehrer. Allerdings ist der Zulauf zu den „Mahnwachen“, die die niedersächsischen Piraten in der Fußgängerzone von Hannover veranstalten, noch eher dürftig, gibt der designierte Spitzenkandidat zu. Damit, dass die Piraten in rund 100 Tagen über fünf Prozent der Stimmen bekommen und somit ins Parlament einziehen, rechnet Koch offenbar nicht: „Hua“, ächzt der Freibeuter, „das wäre natürlich eine Leistung“. KAI SCHÖNEBERG
Mehr Infos unter www.piratenpartei.de . Am Sonntag gründet sich um 14 Uhr der Landesverband Hamburg im Brakula, Bramfelder Chaussee 265