: Das schöne Gesicht Siziliens
WEINKULTUR Die sizilianischen Winzerinnen schließen sich zusammen. Das Netzwerk ist eine Chance für die Frauen – und sie wollen diese nutzen
■ Aziende Agricole Tamburello: Pietragnella Monreale (bei Palermo), Tel. (00 39) 091-8 46 57 77, www.aziendetamburello.it
■ Firriato: Via Trapani 4, Paceco Trapani, Tel. (00 39) 09 23 88 27 55 (verschiedene Weingüter auf Sizilien), www.firriato.it
■ Donnafugata: Via S. Lipari, Marsala, Tel. (00 39) 09 23 72 42 00 (auch Weingüter bei Contessa Entellina und auf der Insel Pantelleria), www.donnafugata.it
■ Feudo Cavaliere: Str. Cavaliere Bosco, Santa Maria di Licodia (Catania), Tel. mobil (00 39) 348 7 34 83 77, www.feudocavaliere.com
VON MICHAELA NAMUTH
José Rallo singt Jazz, gern auch zu Weinproben. Mit ihrer Band ist die Winzerin aus Marsala schon bis in den New Yorker Jazz-Tempel Blue Note gekommen. Vinzia di Gaetano umgibt ein Hauch von Scarlett O’Hara, wenn sie durch ihre Weinfelder auf der Insel Favignana läuft und kritisch Pflänzchen für Pflänzchen beäugt. Die Erde sei hart und ruppig, sagt sie. Margherita Platania steht jeden Tag auf einem Vulkan. Der Ätna, auf dessen Südseite ihre Reben wachsen, ist ein Teil ihres Lebens geworden. Mirella Tamburello aus Monreale war die Erste in Sizilien, die die antike Rebsorte Perricone in etikettierte Flaschen abgefüllt hat. Jetzt machen es ihr viele Winzer nach.
Die vier Frauen zeigen das schöne Gesicht Siziliens. Dieses bleibt oft hinter den Schlagzeilen von Mafiamorden und Immigrantenschiffen verborgen. Deshalb haben die vier Winzerinnen jetzt mit anderen 23 Kolleginnen die Initiative „Donne, territori e vini siciliani“ ins Leben gerufen. Sie organisieren Weinproben und erzählen in Talkshows, wie sie leben und arbeiten und wie sie sich in der Männerwelt – in der nicht nur die Mafia, sondern auch eine starre Tradition herrscht – durchsetzen. Bis jetzt hat sich die Initiative der Frauen auf Italien beschränkt, die nächsten Etappen sollen Deutschland und die Schweiz sein.
Zu den Ersten, die in Sizilien eine neue Weinkultur geschaffen haben, gehört die Familie von José Rallo. Sie leitet das Unternehmen gemeinsam mit ihrem Bruder Antonio und den Eltern Gabriella und Giacomo. Die Rallos füllen ihren Wein mit dem Markennamen Donnafugata seit 1983 ab. Der Name stammt von der Gegend um die Hügel von Contessa Entellina. Bekannt ist Donnafugata auch für den süßen Passito-Wein Ben Rye, der aus den Zibbibo-Trauben der Insel Pantelleria gemacht wird. Die Rallos waren immer davon überzeugt, dass die Weinkultur nicht für sich allein steht. Deshalb haben sie bis vor ein paar Jahren einen Literaturpreis vergeben. José nimmt Platten mit bekannten Jazzern auf. Musik und Wein sind Universalsprachen, findet sie. Ihre Musik begleitet die Weinproben. So muss sie sich nicht zwischen ihren Leidenschaften entscheiden.
Bei der Initiative der Winzerinnen war José Rallo, die auch eine der wenigen weiblichen Verwaltungsratsmitglieder einer italienischen Bank ist, von Anfang an dabei. „Wir müssen den jüngeren Frauen unsere Erfahrung weitergeben. Hier herrscht noch eine traditionelle Familienstruktur, in der Job und Kinder schwer zu vereinbaren sind“, sagt sie. Sie selbst wurde von ihrem Mann, der auch ihre Musik komponiert, immer unterstützt. In den Büros ihrer Firma sind die Hälfte der Angestellten Frauen. Sie können sich ihre Arbeitszeit nach ihren Bedürfnissen einteilen. Donnafugata gehört zu den bekanntesten Namen der sizilianischen Etiketten. „Es spielt doch keine Rolle, wer größer oder kleiner ist. Je sichtbarer wir sind, desto mehr Erfolg haben wir alle gemeinsam“, so die Firmenchefin.
Dieser Meinung ist auch Vinzia de Gaetano, deren Firma Firriato der größte Weinhersteller Siziliens ist. Auch sie sieht kein Konkurrenzproblem. „Unsere Weine sind so verschieden wie wir“, sagt sie. „Das ist ja auch unsere Stärke.“ Sie und ihr Mann Salvatore di Giacomo besitzen Weinfelder in der Gegend um Trapani und am Fuße des Ätna. Die Familie füllt jährlich rund fünf Millionen Flaschen ab.
Vinzias Herz gehört derzeit den jüngsten Pflänzchen, die auf der Ägaden-Insel Favignana wachsen. Die weißen Trauben sind Grillo, Catarratto und Zibibbo, die roten Perricone und Nero D’Avola. Sie werden dieses Jahr zum ersten Mal geerntet. Es sind überhaupt die ersten Weinfelder, die auf dem trockenen und unwirtlichen Tuffsteinboden der Insel angelegt wurden.
„Sie müssen gehegt werden wie Kinder“, erklärt Vinzia im Dialekt ihrer Insel. Sie verbindet Charme mit Bodenständigkeit und ist selbst die erfolgreichste Werbewaffe des Hauses. Von ihren Reisen zu internationalen Weinmessen kommt sie immer wieder schnell zurück. „Die Erde Siziliens ist wie ein Gummi. Sie stößt dich ab und zieht dich immer wieder an“, sagt sie.
Die Erde ist für alle sizilianischen Winzerinnen das wichtigste Thema. Denn um die Sonne brauchen sie sich nicht zu sorgen. Für Margherita Platania ist der Ätna, auf dessen Südseite ihre Reben wachsen, ein Teil ihres Lebens geworden. Auch ihre Weine haben ein ganz eigenen Charakter.
Mit dem Ätna aufgewachsen
Sie wachsen in 800 bis 1.000 Meter Höhe auf dem höchsten Vulkan Europas. Das Terrain ist sandig und mineralhaltig. Parasiten haben bei dem starken Wind kaum eine Chance. Dafür sind die Winter kalt. „Als Kinder sind wir mit Skiern auf den Vulkan gestiegen“, erzählt die Winzerin aus Catania. Margherita Platania hat Agrarwissenschaft studiert und 2004 das Landwirtschaftsunternehmen Feudo Cavaliere von ihrem Vater übernommen. Der Weinanbau am Ätna gehört zu den traditionsreichsten der Insel, die Rebsorten sind Nerello Maschalese, Nerello Capucci und Carricante. „Ich bin mit dem Ätna aufgewachsen. Er ist für mich wie etwas Lebendiges, das dampft und murmelt“, erklärt Margherita. Wie die meisten Frauen fühlt sie sich in der ländlichen Männerwelt oft fremd. Deshalb sehnt sie die Treffen mit den anderen Winzerinnen herbei. „Ich brauche den professionellen Austausch mit den Frauen“, erklärt sie. Die Kolleginnen geben sich gegenseitig Tipps. Viele von ihnen haben langjährige Erfahrung.
Mirella Tamburello aus Monreale war die Erste in Sizilien, die die antike Rebsorte Perricone in etikettierte Flaschen abfüllte. Jetzt machen es ihr viele Winzer nach. Die Familie von Mirella Tamburello bearbeitet das Land, auf dem sie jetzt Biowein anbaut, seit Generationen. Früher gab es hier in der Provinz von Palermo unendliche Weizenfelder. „Ich bin in die Landwirtschaft hineingeboren“, sagt die Winzerin. Seit ein paar Jahren setzt sie auf die Herstellung von Qualitätsweinen. 2002 traute sie sich als Erste, die reine Traube der antiken Rebsorte Perricone zu einem Etikettwein zu keltern. Dieser wurde bis vor hundert Jahren auf der ganzen Insel getrunken. „Heute ist er von höherer Qualität und an den modernen Geschmack angepasst“, erklärt Mirella.
Sie will nicht akzeptieren, dass Winzer heute immer mehr über Märkte und immer weniger über Reben sprechen. „Einen Wein muss man verstehen“, findet sie. Das auffaltbare Etikett der Perricone-Flaschen erzählt die Geschichte dieses wiederentdeckten Rotweins.
Dass der sizilianische Wein, der vor 20 Jahren noch meist als Verschnitt in den Flaschen nord- und mittelitalienischer Hersteller landete, jetzt von internationalen Weinkennern geschätzt wird, ist nicht zuletzt ihr Verdienst. „Den Bauernwein von früher gibt es so gut wie gar nicht mehr“, sagt Mirella Tamburello.
Die neue Weinkultur ist für die sizilianischen Frauen, die oft in der Landwirtschaft aufgewachsen sind und dann studiert haben, ein große Chance. Die wollen sie sich – angesichts der raren Erwerbsmöglichkeiten auf der Insel – nicht entgehen lassen. „Wir haben bewiesen, dass wir viel können“, findet Mirella. Und darüber wollen sie und ihre Kolleginnen jetzt endlich sprechen.