„Alle wollen plötzlich in den Iran“

DIE LETZTEN ALTERNATIVEN Der Michael Müller Verlag und der Trescher Verlag produzieren immer noch dicke, inhaltsgeschwängerte Reiseführer. Mit Erfolg

■ Nach der Ausbildung zum Kfz-Mechaniker zog es ihn, geboren 1953, jahrelang nach Neuseeland und Ecuador. Mit Martin Velbinger recherchierte er in Südamerika – die Initialzündung für die Gründung des Verlags für Individualreisende 1979.

INTERVIEW EDITH KRESTA

taz: Herr von Oppeln, Herr Müller, Sie sind beide Vertreter von Reisebuchreihen in der Tradition „alternativer Reiseführer“. Wie halten sich Ihre dicken Bücher auf dem Markt trotz Internet und schneller, handlicher Konkurrenz?

Detlev von Oppeln: Infos sind überall im Internet erhältlich, aber viele Menschen haben nicht die Zeit, sich durch Hunderte von Seiten zu wühlen, um irgendwelche Tipps zu finden. Bei unseren Reiseführern können sie sich darauf verlassen, dass eine dichte Zusammenstellung erfolgt, die ihnen vor Ort weiterhilft.

Michael Müller: Jeder geht mal zu Holiday Check oder so, aber eigentlich hat niemand Lust, sich diese Hotellisten anzuschauen. Da gibt es 35 Bewertungen und der eine gibt einen Stern, der andere fünf Sterne. Das verwirrt. Wir hingegen schätzen ein, was sich lohnt und was nicht. Wir werten. Wir sind immer erfolgreicher geworden die letzten Jahre, aber ich fürchte, es wird sich ändern. Deswegen investiere ich auch sehr viel in Apps.

Ein Trend zu inhaltlicheren Reiseführern?

Detlev von Oppeln: Durchaus, die Leute fühlen sich zunehmend unsicher bei dem riesigen Reiseangebot.Wir schlagen vor, was sich lohnt, und das ist für Leute, die nur 14 Tage Zeit haben, sehr hilfreich.

Michael Müller: Also ich weiß nicht, vor 15 Jahren hatte Marco Polo 16 Prozent und jetzt ist er bei 20 Prozent Marktanteil. Ich zweifele daran, dass die Leute immer mehr Information zwischen zwei Buchdeckeln wollen. Ich bin da trotz Erfolgen unsicher.

Wie wählen Sie Ihre Zielgebiete aus? Schauen Sie, was gerade auf dem Markt läuft?

Detlev von Oppeln: Ja, und wir schauen auch, wo es einen Autor gibt, der schreiben möchte. Wir suchen eigentlich keine Autoren, sondern unsere Politik war immer, dass die Autoren uns finden und dann mit Herzblut ein Thema aufbereiten, wo wir noch nichts drüber haben.

Der Autor muss für die Destination brennen und bereit sein, wenig zu verdienen?

Detlev von Oppeln: Ja. Trescher hat sehr gute Erfahrungen gemacht mit Studienreiseleitern, die sowieso immer vor Ort sind und dadurch eine profunde Kenntnis des jeweiligen Landes haben. Das erleichtert die Recherche gerade bei unseren zentralasiatischen oder auch fernöstlichen Zielen

■ 1959, studierte Publizistik in Berlin. 1992 gründete er den Trescher Verlag und ist seitdem Geschäftsführer des Unternehmens, das auf Reiseführer für ostdeutsche, osteuropäische und asiatische Länder ausgerichtet ist.

Michael Müller: Wir haben Autoren, die hauptberuflich Reiseführer schreiben, die ihre Stammgebiete haben und dann auch regelmäßig in diese Gebiete fahren. Bei uns ist die Adressdichte und die Tippdichte wahnsinnig hoch, sodass man das nicht so im Vorbeigehen als Reiseleiter mitmachen kann. Da haben wir höhere Anforderungen. Bei den Wanderführern, da kommt es vor, dass die Autoren selbst Wanderführer sind.

Welche Weltregionen liegen bei den Reiseführern gerade im Trend?

Detlev von Oppeln: Der Trescher Verlag war lange Zeit bekannt als Spezialist für den Osten, weil wir mit osteuropäischen Ländern angefangen haben, aber inzwischen haben wir uns den Ländern im Nahen Osten, Arabien und Afrika geöffnet. Wir haben jetzt Erfolg mit der chinesischen Seidenstraße. Die Provinz Xinjiang ist nicht gerade ein Begriff für jeden Deutschen. Bei uns punkten im Augenblick die exotischen Reiseländer: Myanmar, Kirgistan oder auch Tadschikistan, das sind wunderbare Länder, in die man herrlich reisen und wo man vor allen Dingen herrlich wandern kann. Unser Bestseller im Moment ist der Iran. Alle wollen plötzlich in den Iran.

Michael Müller: Wir sind da etwas klassischer aufgestellt. Wir haben uns von Anfang an auf Europa spezialisiert. Portugal und Griechenland waren unsere ersten Titel. Inzwischen geben wir auch regionale Titel wie Hamburg oder Freiburg heraus. Der aktuelle Renner ist Barcelona. Die Stadt pulsiert. Auch unser Individualreiseführer Mallorca verkauft sich sehr gut.Und die Toskana. Ein klassischeres Reiseziel für Europäer kann es gar nicht geben, aber der Toskana-Titel ist immer noch ganz, ganz stark. Das wundert uns und selbst die Italiener.