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Archiv-Artikel

„Irgendwas wird übrig bleiben“

Hamburger Linksradikale wollen mit einer Antirepressionskampagne eine breitere Öffentlichkeit ansprechen. Die taz sprach mit Andreas Blechschmidt, Anmelder der bundesweiten Antirepressions-Demonstration am 15. Dezember

taz: Andreas Blechschmidt, warum gerade jetzt eine Antirepressionskampagne?

Andreas Blechschmidt: Die laufenden Ermittlungsverfahren sollen neben der Ausforschung von Strukturen auch der Stigmatisierung und Einschüchterung von linkem Widerstand dienen. Wir wollen mit der Kampagne öffentlich deutlich machen, dass dieses Kalkül nicht aufgehen wird. Gleichzeitig wollen wir aber auch vermitteln, dass die laufenden Ermittlungsverfahren im Zusammenhang stehen mit der uferlosen Ausweitung staatlicher Ermittlungskompetenzen wie der Vorratsdatenspeicherung oder der Online-Durchsuchung. Das könnte in Zukunft weitaus mehr Menschen angehen.

Laufen die Ermittlungen gegen Hamburger Linksradikale, die im Vorfeld der Proteste gegen den G 8-Gipfel im Juni angelaufen sind, unvermittelt weiter?

Die Ermittlungen haben ja nie den vorrangigen Zweck gehabt, Straftaten aufzuklären. Es ging nicht um eine tatenorientierte Aufklärung, sondern um eine täterorientierte Umfeldausforschung, bei der Beweise bezüglich eines Tatnachweises allenfalls Zufallsfunde gewesen wären. Aber bekanntermaßen hat es noch nicht mal die gegeben. Wir gehen davon aus, dass die Bundesanwaltschaft nach wie vor bei ihren Ermittlungen vor einem nebeligem Nichts steht.

Gibt es nach dem Urteil gegen die Postüberwachung und dem Eingeständnis der Verwanzungen vor dem G 8-Gipfel weniger Observation?

„Marginalien“ wie die gesetzeswidrige Verletzung des Postgeheimnisses oder unverhältnismäßige Eingriffe wie der Große Lauschangriff haben die Ermittlungsbehörden noch nie davon abgehalten, unverdrossen an ihrem Tun festzuhalten. Ermittlungsversuche am Rande oder außerhalb dessen, was die Strafprozessordnung hergibt, werden andauern.

Glaubt Ihr der Polizeidarstellung, dass nur vor dem G 8-Gipfel versucht wurde die Rote Flora abzuhören? Gibt es Belege für umfassende Observationen der Roten Flora?

Aus den den Anwälten vorliegenden Ermittlungsakten hat sich ergeben, dass im April dieses Jahres das BKA eine Verwanzung der Flora empfohlen hat, aber aufgrund der „Sensibilität“ der dort verkehrenden Menschen zunächst davon abgesehen hat. Es widerspräche jeder Lebenserfahrung, dass die Durchsuchung der Roten Flora am 9. Mai dann nicht dafür genutzt worden sein soll, die Flora zu verwanzen. Und selbstverständlich wird die Flora umfassend observiert, dafür hat das LKA ja schon vor Jahren eigens Wohnraum im Bereich der Flora angemietet.

Wieso werden Hamburger Linksradikale als vermeintliche „TerroristInnen“ dargestellt, obwohl sie marginalisiert und kaum interventionsfähig sind?

Im Zusammenhang mit der Mobilisierung gegen den G 8-Gipfel hat es eine über zwei Jahre andauernde Serie von Aktionen gegen Institutionen und Repräsentanten aus Wirtschaft und Politik gegeben. Die Polizei kann keinerlei Ermittlungserfolge vorweisen. Also muss man den Gegner großreden, um die eigene Erfolgslosigkeit nicht allzu mickrig aussehen zu lassen. Hier funktioniert der schon fast historische Reflex, linken Widerstand mit den größtmöglichen Kalibern des Strafgesetzbuches zu verfolgen. Irgendwas wird dann am Ende schon übrig bleiben.

Ist der nüchterne Demoaufruf ein Zeichen für einen Abschied von linker Kraftmeierei?

Es hat eine konstruktive Diskussion um die gemeinsamen Inhalte gegeben. Das Resultat ist in der Tat ein Aufruf, der einerseits deutlich macht, dass am Horizont nicht die Morgenröte der Revolution aufscheint, andererseits aber linker Widerstand gegen die gesellschaftlichen Verhältnisse notwendig und richtig ist. Interview: Gaston Kirsche

Infos zu allen Veranstaltungen und Demoaufruf: www.antirepressionskampagnehamburg.blogsport.de