Männer weinen nicht

Ein Szenario wie dieses hatten die Sicherheitslogistiker der Ölindustrie nicht mal in ihren schlimmsten Alpträumen vorweggenommen. Amerikas Umweltgewissen heulte auf, der Multi und sein betrunkener Fährmann wurden über Nacht zu Todfeinden jeglichen Lebens erklärt. Kein Wort über die immanenten Gefahren von Ölförderung und Transport der heißen Ware, von dem Amerikas Puls vermeintlich so sehr abhängt. „Alaska - das ist die Pipeline.

Im April des vergangenen Jahres wurden die ersten ohnehin vom Aussterben bedrohten Weißkopfwappentiere aus dem Ölschlick des Sunds gezogen. Als am Ende Zehntausende Tiere krepiert waren und jede Insel bis in die letzte Spalte hinein mit Exxon-Öl durchtränkt war, da schien vielen, als sei hier die unerreichbar geglaubte Grenze, die frontier, endgültig erreicht, wenn nicht überschritten worden. Aber schließlich ist Alaska Männerland. Und Männer weinen bekanntlich nicht. So zogen sie zu Tausenden an die Front, um die Herausforderung anzunehmen - mit demselben Machbarkeitswahn, der sie seit den Tagen des Pipeline-Baus umgetrieben hat. „Go north“, hieß schon die Devise in den Tagen der Mär vom Gold im Klondike.

Das ökologische Desaster wird in eine militärische Herausforderung umgedeutet - weniger aus Entschlossenheit, denn aus Hilflosigkeit. Und dabei ist Geld das einzige Know-how im Kampf gegen das außer Rand und Band geratene Lebenselixier der industrialisierten Welt.

Am 1. Mai werden Exxons Söldner sich wieder mit Hubschraubern, Kleinflugzeugen, Marineschiffen, Schrubbern und Feudeln über die ölverseuchten Küsten hermachen - um anschließend mit porentief reinem Gewissen und immer im Dienste des Fortschritts weiter in den Wunden von „mother nature“ herumzustochern.

H.R.