: „König Richard“ tot
■ Boljahn: „Den Typus gibt's nicht mehr“
20 Zeilen
foto:
Herr
mit Pfeiffe
Richard Boljahn ist tot. Der 79jährige starb am Montag abend nach langer Krankheit. „Urgestein der Bremer Sozialdemokratie, ein Mann mit Ecken und Kanten“, nannte ihn der SPD-Vorsitzende Horst Isola.
Über fast 20 Jahre war Boljahn eine entscheidende Figur der Bremer Sozialdemokratie. Schon während seiner Jugend betätigte er sich politisch und gewerkschaftlich. 1934 wurde er als 22jähriger verhaftet und in einem Schauprozeß verurteilt. 1943 wurde er doch noch eingezogen, das Ende des Krieges erlebte er in englischer Gefangenschaft.
1951 wurde er SPD-Fraktionsvorsitzender. Seine ganze Leidenschaft galt der Baupolitik: „Gucken Sie sich die Neue Vahr an. Was für ein Erlebnis, in eine Wohnung einziehen zu können, fließend warm und kalt Wasser, Bad, Dusche! Und der das gemacht hat, kommt aus einer Arbeiterfamilie, wo mit der Petroleum-Lampe gesessen wurde“, erzählte Boljahn gerne. „Ich habe gesagt, es muß so sein, daß es auch der Werftarbeiter bezahlen kann.“
Die Baupolitik des großen Wurfs auf der grünen Wiese wollte Boljahn auch noch fortsetzen, als diese Zeit vorbei war. Es war sein politisches Ende und brachte ihm den Namen „König Richard“ ein. Boljahn hatte an allen politischen Gremien vorbei dafür gesorgt, daß die Neue Heimat im Hollerland große Landkäufe tätigte, um dort eine Trabantenstadt für 50.000 Menschen inclusive Internationaler Regatta-Strecke und neuem Großstadion zu bauen. Die Folge war der „Bauland-Skandal“ der von einem parlamentarischen Untersuchungsausschuß durchleuchtet wurde. 1968 trat Boljahn als Fraktionsvorsitzender zurück. Aus dem großen Macher war ein Symbol für den Filz zwischen Politik, Gewerkschaft und Gemeinwirtschaft geworden.
1971 verabschiedete sich „König Richard“ ganz aus der Politik, und schoß nur noch kleine Spitzen gegen einen veränderten Politikstil: „Die Partei hat sich manchmal beschwert, rotzige Art und das Hemd paßt nicht zur Hose. Der Typus von Politiker ist ausgestorben, den gibt's nicht mehr, jetzt ist alles Nadelstreifenanzug.
hbk
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen