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■ Direkte Demokratie belebt den ParlamentarismusDie Republik im Plebiszitrausch

Die Mitgliederbefragung der SPD, ein spektakuläres Verfahren mit mäßigem Ausgang, setzt, so scheint es, einen plebiszitären Schub frei. Schon wird nach der Wahl des Bundespräsidenten durch das Volk gerufen. Das Unbehagen im Parteienstaat bringt verschiedene Bedürfnisse nach Dynamisierung einer Politik hervor, die viele als starr und verbraucht erkennen. Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus, aber wo, ja wo geht sie hin?

In Zeiten, da die Kader der Berufspolitiker von Selbstekel ergriffen sind, werden große, teils schwärmerische Hoffnungen auf „das Volk“ geworfen. Die Unmittelbarkeit seiner Beteiligung durch neue plebiszitäre Elemente geht mit der Erwartung einher, das Politikgeschäft werde dann nicht nur vernünftigere Ergebnisse zeitigen, sondern endlich auch echte Legitimität durch den Souverän erfahren.

Jene Verklärung kollidiert mit einer Staatsdoktrin, die man als Theorie des „repräsentativen Absolutismus“ bezeichnen kann: Allein in der wohlgeordneten Debatte der Volksvertreter könne Sachverstand in vernünftige Gesetze sublimiert werden. Plebiszite in jedweder Gestalt phantasiert diese verwitterte Doktrin als Inbegriff öffentlicher Unruhe, als Entfesselung irrer politischer Leidenschaften.

Solche Idealisierungen von Basisdemokratie beziehungsweise Repräsentation haben einander im Grunde nichts zu sagen, führen sie doch ihre je eigene „höhere Vernunft“ im Schilde. Dagegen kommt heute alles darauf an, das parlamentarische System für Erfahrungen und Interventionsmöglichkeiten der Gesellschaft zu öffnen. Die Volksvertreter – rechtlich nur ihrem Gewissen verpflichtet, indes von der Fraktionsdisziplin umlagert – dürfen die außerparlamentarischen Initiativen nicht länger absorbieren. Dem entspräche ein Demokratieverständnis, das, so der Staatsrechtslehrer Ulrich K. Preuß, „die Offenheit der politischen Strukturen für die Wahrnehmung und Verarbeitung gesellschaftlicher Vielfalt“ ermöglicht.

Es ist ein Kinderglaube, der Parteienstaat könne durch eine Art permanentes Plebiszit entmachtet werden. Nicht das „Ob“ von Plebisziten, sondern das „Wie“ ihrer konkreten Ausgestaltung ist das Problem: Welche Themen stehen zur Abstimmung? Wer formuliert die Fragen? Welche Quoren soll es geben? Wie wird der Zugang zu den Massenmedien geregelt? Die wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger dieser Republik können sehr wohl neben dem Parlament als gleichberechtigter Gesetzgeber agieren. Zur Besänftigung der Verfassungskommission sei hinzugefügt, daß unter den Schweizer Eidgenossen grundordentliche Verhältnisse herrschen. Horst Meier

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