■ Filmstarts à la carte: Schritte auf dem Pflaster
Ia Kinderkino und Erwachs'ne ebenso findet statt, wenn ab heute abend Jim Knopf im Kino gezeigt wird. Das Zeughaus zeigt die einzige 35-mm-Kopie, die von der Serie existiert, die man früher immer sonntags sah. Die Marionetten der Puppenkiste, sie leben hoch, Chinesen tauchen auf und Piraten, veritable und nicht so veritable Drachen und schwarze Folien, die als Meerwasser ziemlich was hermachen, wellenmäßig. Man sollte sich nicht daran stören, daß das Land, aus dem Lukas der Lokomotivführer kommt, Lummerland heißt und daß Jim Knopf nach China fährt, ohne Li Peng die rote Karte gezeigt zu haben.
Immer wieder heißt es, im Hochsommer sei es nicht schön im Kino. Das ist blanker Unsinn. Das Geheimnis ist, daß man sich eben einen Film aussuchen muß, der auf keinen Fall die Enge im Kino irgendwie verstärkt; gehen Sie also nicht in Fahrstuhl zum Schafott, gehen Sie aber unbedingt, wo wir schon bei Louis Malle sind, in Das Irrlicht.
Es ist ein Film, den Malle so hingehaucht hat. Er beginnt im Schlafzimmer, wo ja viele Dinge beginnen, mit denen man allerhand Hudeleien hat hinterher. Der Mann starrt die Frau an, die da im Halbschatten in seinem Bett liegt, aber er kann nicht richtig erkennen, mit wem er es zu tun hat. Die weißen Vorhänge bauschen sich im Sommerwind, von draußen hört man Schritte auf dem Pflaster. Chiaoscuro heißt das wohl, wenn auf diese Weise mit Schwarz und Weiß, Licht und Schatten gespielt wird – da möchte und muß man Kaurismäki vergessen. Scharf ziehen die Linien durch das Bild, es geht nicht um Nostalgie, sondern um Purismus.
Der Mann ist krank. Sie fährt nach New York, er zieht in eine Klinik. Die Alkoholkranken hier sind den Tb-Trägern auf dem Zauberberg nicht unähnlich; man meint, sie hätten ihre Fieberkurven einander angeglichen. Nur Marcel bleibt ein Fremder; er hat auch einen Revolver auf dem Zimmer. Louis Malle hat einen Roman des mit dem Faschismus liebäugelnden Autors Drieu de la Rochelle verfilmt, dessen Triebfeder wohl das antibourgoise, vom städtischen Hedonismus angeekelte Sentiment war. Eines Tages stürmt Marcel aus der Klinik und fährt mit ein paar Müllkutschern zurück in die Stadt. Paris will ihn willkommen heißen als den verlorenen Sohn, aber er kann nicht mehr hinein ins Getümmel; zu viel Jazz gehört, zu viele Einweg-Liebesbriefe geschrieben, zu viel allein gewesen. Hier wird es natürlich einigermaßen „existentialistisch“, aber da muß man sich nicht dran stören. Wer jetzt kein Haus hat ...
An den zur Zeit ja wieder einmal recht umstrittenen Widerstand des 20. Juli wird das Arsenal mit drei Filmen erinnern: Es geschah am 20. Juli, eine Art filmische Erzählung, eine Chronologie der laufenden Ereignisse vom Morgen bis zum Abend jenes Tages von G.W. Pabst. Dann Die Frauen des 20. Juli – Es liegt an uns, diesen Geist lebendig zu halten von Irmgard von zur Mühlen, der, wenn ich mich recht erinnere, schon einmal im Fernsehen gezeigt wurde und der ziemlich interessant war, auch wenn der Untertitel etwas abstoßend auf einen zufährt. Natürlich waren die Angehörigen der Aktivisten der Sippenhaft unter Himmler zum Opfer gefallen. Die Frauen schildern, wie sie den 20. Juli, seine Vorbereitungen und die Zeit danach erlebt und überstanden haben. Schließlich Der 20. Juli von Falk Harnack von 1955, mit Wolfgang Preiss und Werner Hinz.
Als Preview zeigt das Arsenal übrigens interessanterweise Kaurismäkis Tigrero – A Film that Was Never Made mit Sam Fuller(!) und Jim Jarmusch (!!, 17.7.)mn
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