■ Filmstarts à la carte: Da tanzt die Nachbarschaft
Die schönste Version von dem Elvis-Vehikel „Falling in love“ war ja wohl die in The Snapper, am Anfang und am Ende, gesungen als Duett von zwei schönen irischen Stimmen. Die Welt der irischen backlots, die einem in The Commitments und Im Namen des Vaters präsentiert wurde, mit ihrem Soul food und ihren mürrischen Rosen rückt nun merklich näher in Form des Autors Roddy Doyle, der im Steinplatz-Kino aus seinem neuesten Roman „Paddy Clarke Haha“ vorliest – ein Titel, der allerhand Erfreuliches verheißt.
Zur Erinnerung, und für alle, die ihn noch nicht gesehen haben und dies aber unbedingt nicht nicht tun sollten: The Snapper ist die Geschichte einer gewissen urst sympathischen Shirley (oder, wie der Ire hier sagt, „Shoileee“), welche aus zunächst unbekannter Quelle (sehr katholisch das) geschwängert wird. Da tanzt die Neighborhood. Mit viel Hallo und Hurrah und Igitt. Vaters Saufkumpane (Oh, dieser wunderbare Vater!), drei bis vier kreischende girlies, ein verwirrter Georgie Porgie, der es partout gewesen sein will, ein spanischer Matrose, den es nie gab ... You can't help falling in love with it.
Komplementierend zur großen Ausstellung der Holocaust Mahnmale im Zeughaus zeigt das hauseigene Kino einige der besten und einige der schlechtesten Dokumentarfilme zum Thema. Heute abend beispielsweise, unbedingt zu empfehlen: Breaking the Silence, ein Film über den Transfer oder den verhinderten Transfer der Erinnerung zwischen den Überlebenden und ihren Kindern – bekanntermaßen dauerten ja die Fünfziger bis in die sechziger Jahre hinein, und häufig darüber hinaus herrschte die sogenannte „conspiracy of silence“. Die Eltern erzählen nicht, die Kinder fragen nicht, beide aus Angst, das Gegenüber zu sehr zu belasten – dabei ist dieses Gebot die größte aller denkbaren Belastungen. Dann wird Wilhelm Rösings Film Überleben im Terror – Ernst Federns Geschichte gezeigt, das Porträt eines Psychoanalytikers, der sieben Jahre in Buchenwald saß. Der Film beschreibt, in den Worten des Regisseurs, „nicht nur die Solidarität der Gefangenen gegen die SS, sondern auch den Terror der Gefangenen untereinander“, von dem ja gerade in Zusammenhang mit den jetzt geöffneten Akten über Buchenwald und seiner Lagerhierarchie viel die Rede war. Dieser Film, so schrieb uns der Regisseur, wurde von der Stiftung Auschwitz aus dem Programm einer in Paris stattfindenden Konferenz herausgenommen, die sich mit Zeitzeugenberichten beschäftigt, und zwar, wie der Regisseur schreibt, „unter dem Vorwand, einen Skandal zu verhindern. Offenbar gibt es richtige und falsche Erinnerungen.“ (25.-27.9.)
Etwas merkwürdig geraten ist der schwedische Filmessay „The Architecture of Doom“ (Architektur des Untergangs, 1989), der sich dem Speerschen Kunstwollen so atemlos nähert, als übte die These von der Ruinenarchitektur, die noch vom Dritten Reich zeugt, wenn seine Protagonisten längst zu Staub zerfallen sind, einen unwiderstehlichen Sog auf die Kamera aus. Schummmmm, fährt sie an einer Fassade in die Höhe, schummmmm! an einer Bauernfigur, umkreist tänzelnd wie eine Braut eine Säule, einen Diskuswerfer. Dem eigenen Sujet ein bißchen auf den Leim gegangen, nun ja, soll vorkommen.
Niemand nimmt zur Kenntnis, daß das Maison de France Unter den Linden oft außerordentlich gute Filme zeigt. Geht hin, seid fruchtbar und mehret euch dortselbst. Zum Beispiel: L'Enfer von Claude Chabrol, ein als Eifersuchtsdrama getarntes Mittelstandsparanoia-Stück auf dem Lande.mn
Die überregional neu anlaufenden Filme werden auf den Kulturseiten der Donnerstagsausgabe besprochen.
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