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■ Filmstarts à la carteRomy war unsere Lola Montez

Viermal Ludwig II. von Bayern im Zeughaus-Kino, an einem der Orte Berlins, wo man eh noch halb im 19. Jahrhundert zu stehen meint, also das geeignete Ambiente für diesen Märchenkönig. Das Zeughaus hat Inventur gemacht, ist unsere Monarchen noch einmal durchgegangen und hat befunden, daß Ludwig – Mäzen, Träumer, Künstler – der einzig passable war. Der Reihe liegt die interessante Überlegung zugrunde, daß alle diese Filme um die Möglichkeiten kreisen, die es gegeben hätte, wenn Deutschland nicht den preußischen, sondern den Ludwigschen Weg gegangen wäre: Leidenschaft vor Staatsräson, Kunst vor Kalkül usw.

Helmut Berger, der sehr Bedenkliche, gibt Ludwig II. als größenwahnsinnigen Potentaten, der versucht, sich vor der Korrumpiertheit der Politik in die Poesie zu retten – und der daran zerschellt.

An seiner Seite: die schönste Romy, die schönste Sissy, denn wir haben auch Camp, nicht nur die Amerikaner mit Lola Montez, Romy war unsere Lola, Romy trug ein Diadem und lächelte so süß in die Mondnacht hinaus. Visconti schließt sich mit ganzem Herzen Ludwigs Wunsch an, aus Bayern ein Künstlerparadies zu machen. Proteste aus Bayern und von Kinobesitzern führten dazu, daß dieser komplexe Film gekürzt werden mußte. Speziell die von Visconti mit behaglicher Vorsicht angedeutete Tatsache, daß Ludwig schwul war, fiel der Schere zum Opfer.

O.W. Fischer, Zauderer vor dem Herrn, hamletesk wie ihn die reuigen Fünfziger gerne sahen, gibt Ludwig in Helmut Käutners Version der Geschichte. Die Betonung liegt auf der Romanze (diesmal sind Ruth Leuwerik und Marianne Koch dabei). Er lädt Richard Wagner zu sich ein und läßt ihn hochleben, bis ihm seine Koofmichs den Spaß verderben, weil er ihnen zu teuer ist und weil imperialistische Angelegenheiten drunter leiden müssen. Der Wahnwitz des jungen Mannes spielt nicht so eine große Rolle. Der Tod des gequälten Prinzen im Starnberger See von 1886 wird hier, in Helmut Käutners Ludwig II. – Glanz und Elend eines Königs, als Selbstmord inszeniert. Nichts Genaues weiß man allerdings nicht.

Nicht fehlen dürfte natürlich Hans Jürgen Syberbergs Variation des Themas: Ludwig – Requiem für einen jungfräulichen König, ein Versuch, die Sache in Ufa-Richtung zu drehen, als romantisch-deutsches Schlock- Schicksal, was bei der Besetzung – Ingrid Caven, Harry Bär, Hanna Köhler – so unwahrscheinlich dann wieder nicht war.

Der Drehbuchautor Franz Schulz nannte sich Franz Spencer und war 1897 in Prag geboren. Das allein nimmt schon irgendwie für ihn ein, aber dann kommt noch strafverschärfend hinzu, daß er ein Prosawerk mit dem Titel „Candide oder das miese Jahrhundert“ schrieb, hinter dem sich eine Autobiographie verbarg. Jedenfalls zeigt das Tschechische Zentrum, weil der Mann auch „in den Cafés von Prag“ die entscheidende Schulung & Prägung erfuhr, drei Filme, für deren Script Spencer verantwortlich zeichnete. Nämlich Die drei von der Tankstelle (1930, Regie: Wilhelm Thiele), Was Frauen träumen (1933, Regie: Geza von Bovary) und schließlich Die Hose (1927, Regie: Hans Behrendt). Heute abend werden zu diesem Thema sprechen: Wolfgang Jacobsen von der Stiftung Deutsche Kinemathek und die Herausgeberin von „Candide 19.“, Frau Ginny von Bülow.

Sweetie ist Jane Campions rohester und kompliziertester Film, das Porträt eines recht dickmopsigen Teenagers mit tiefen schwarzen Lidschatten, die vor kurzem ein wenig durchgedreht ist, dabei aber nicht unheiter – einfach die Campionsche Fortsetzung von „A Girl's Own Story“.mn

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