: Interkontinentale Kommunikation
■ Nachrichten aus Umtata, Teil elf, oder: Spartips für Bremer Vereinsmeier
Mein Draht zur Welt führt mitten durch den Jacaranda-Baum. Der subtropisch fiederblättrige Schattenspender steht genau zwischen meinem Schreibtisch und dem Telegrafenmast der südafrikanischen Telkom. Als uns die Fernmeldetechniker – unangemeldet an einem Sonntag morgen – das Telefon ins Haus brachten, haben sie ihr schwarzes Kunststoffkabel einfach über eine Astgabel gelegt, jede Böe läßt es seitdem mitschwingen.
Inzwischen hat sich der Jacaranda ganz in Lila getaucht, jeder Ast wedelt mit hundert Glöckchen; was schonmal runterfällt verwandelt die Erde zwischen Haus und Hühnerstall in einen lila Blütenteppich. Nur den blitzschnellen E-Mail-Daten ist der ganze Frühlingszauber total egal. Völlig unbeeindruckt passieren sie den prächtigen Jacaranda im freihängenden Kabel, schlängeln sich über Gemüsegärten, Großfamilienhäuser, Schlaglochstraßen in einen nüchternen grauen Verteilerkasten, werden von einer Richtfunkantenne auf Umtatas Hochhausdach in Richtung Kapstadt geschleudert und verschwinden dort Untersee. Nach Umrundung der afrikanischen Westküste tauchen sie irgendwo in Europa wieder auf und machen es sich für den Rest des Weges in einem modernen Glasfaserkabel bequem. Unbeobachtet werden sie unter das Bremer Altstadtpflaster geschoben und betreten das Haus an der Schlachte durch den Keller. In einer Röhre neben dem Fahrstuhlschacht geht es hoch in den fünften Stock, und schon spuckt der Drucker in der taz-Redaktion diesen Text aus. Alles eine Sache von Sekunden.
Und allemal billiger als ein Brief. Der wird auf seinem Weg dafür weit länger betreut – „zwischen vier Tagen und vier Monaten“, so die übereinstimmende Auskunft verschiedener Postkunden. Manchmal behalten die Boten den Brief sogar für immer. Im Gegensatz zum nüchternen Datenstrom sind die Wege der Post eben verschlungen und geheimnisvoll. Genauso wie ihre Gebührenstruktur. Warum wohl, so frage ich mich manchmal in der beachtlichen Schlange vor den zwei besetzten und fünf unbesetzten Schaltern in Umtatas Hauptpostamt, kostet ein Brief von Bremen nach Südafrika drei Mark, von Südafrika nach Bremen aber nur 60 Pfennige? Und warum wohl, überlege ich weiter, wurde diese Sparmöglichkeit noch nicht erkannt? Wo doch auch die Kopierkosten in Umtata viel billiger sind als im deutschen Hochlohnland. Anstatt tausend Weihnachtsgrüße an Vereinsmitglieder in Deutschland für hundert Mark zu kopieren und dann für tausendeinhundert Mark zu verschicken, könnte die Vorlage auch für drei Mark nach Umtata geschickt, für fünfzig Mark tausendmal kopiert und dann für 600 Mark nach Deutschland versandt werden.
Mit den eingesparten 547 Mark wäre schon das Freibier für die nächste Vereinsfeier finanziert. Und falls die südafrikanische Briefbetreuung mal wieder überlange dauert, macht das auch nichts: Ein Weihnachtsgruß findet zu Ostern allemal größere Beachtung als mitten im Adventstrubel. Und das erst recht, wenn ihn auch noch drei schöne Tiermarken zieren: Der Ein-Rand-Reiher, der 50-Cent-Schimpanse und der 20-Cent-Igel (womit nichts gegen Einszehn-Marlene gesagt sein soll). Der Luftpostbrief kostet in Umtata krumme ein Rand siebzig, das örtliche Postamt hält aber die dafür vorgesehene Marke nicht vorrätig. Zwar liegen in den Mappen blöckeweise Abreiß-Tiere zu 1,75, doch die werden am Schalter für 1,70er Luftpostbriefe nicht rausgerückt. Annahme verweigert heißt es zu der kleinen Spende – auch wenn sie vor allem sparsamen Vereinsmeiern eine Menge Spucke sparen würde. Dirk Asendorpf
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