: Edle Stücke, kleine Macken
In einer Moabiter Fabriketage verkauft das Möbelhaus „Who’s perfect?“ leicht beschädigte Designerware. Die edlen Interieurs sind zwar preisreduziert, aber nicht für jeden erschwinglich
von LARS KLAASSEN
Beim Durchqueren der Hofeinfahrt überkommen den Besucher vielleicht Assoziationen an Bäumärkte oder schmuddelige Teppichläden, an edles Interieur wird man hier jedenfalls nicht erinnert: Die Moabiter Wiebestraße 12–18 ist ein unspektakulärer Gewerbehof, umgeben von Betonkästen im Stil der 70er. Der Eingang in die Berliner Filiale des Möbelhauses „Who’s perfect?“ wäre schwerlich zu finden, könnte man sich nicht an einer Reihe von Werbeplakaten orientieren, die dezent den Weg weisen. Es ist ein bisschen wie auf der nächtlichen Suche nach den neuesten angesagten Clubs: Das Versteckspiel macht alles noch interessanter.
Wer sein Ziel gefunden hat, darf sich auf einer 3.700 Quadratmeter großen Fabriketage zwischen edelstem Designermobiliar ergehen. Und auch hier geht das Versteckspiel weiter. Denn fast all die hippen Einrichtungsgegenstände haben etwas gemeinsam, das wohl kaum jemand, ohne darum zu wissen, sehen würde: Sie haben kleine Macken. Das Sortiment von „Who’s perfect?“ besteht größtenteils aus Messemodellen, Rückläufern oder Ausstellungsstücken.
Doch so wenig man den Stücken ansieht, dass sie nicht gänzlich unversehrt sind, so wenig merkt man es auch beim Blick auf die Preisschilder. „Unsere Ware ist im Schnitt zwischen 10 und 30 Prozent reduziert“, erläutert Günter Battistella, Filialleiter des Berliner Möbelhauses, der sich mit seinem Designerhemd fantastisch in das Ambiente einfügt. Klassische Schnäppchenjäger sind seine Zielgruppe nicht. So sind Preise von mehreren tausend Mark für ein Ledersofa oder einen repräsentativen Besprechungstisch aus Edelholz auch im Sonderangebot noch eine Liga zu hoch für Otto Normalverbrauchers Geldbeutel. Aber „Who’s perfect?“ hat schließlich nicht vor, mit „Rudis Resterampe“ zu konkurrieren. Auf der weitläufigen Fabriketage weht den Besuchern ein bewusst exklusives Flair entgegen.
Das Kundenspektrum ist laut Battistella breit gestreut: „Wir werden von Leuten ab Anfang, Mitte 30 frequentiert. Unser Publikum ist sehr gemischt.“ Obwohl man es der an diesem Donnerstagmittag fast völlig verwaisten Verkaufsfläche nicht anmerkt – gerade mal ein älteres Paar verliert sich zwischen den Möbellandschaften –, läuft der Laden anscheinend gut.
Was vom Zustand her als zweite Wahl angepriesen wird, hat Namen erster Güte: „Cattelan“, „Horm“ und „Bontempi“ sind Markennamen, mit denen „Who’s perfect?“ guten Gewissens hausieren gehen kann. Zwischen den Nobelstücken sind „Penta“-Leuchten und Lampen von „Flos“ drappiert, die ebenso prestigeträchtig sind. Die Ware kommt größtenteils aus den Designerhäusern Norditaliens.
Wer es für ein paar Mark mehr dennoch perfekt haben will, kann das ebenfalls haben. Auf Wunsch werden auch fabrikneue Stücke geliefert. Hin und wieder kauft „Who’s perfect?“ auch Kleinserien bei den Herstellern – es muss ja nicht alles eine Macke haben. Die Beschaffung der Designerware wird denn auch im Prospekt als Grund für die eingeschränkten Öffnungszeiten angeführt. In der Regel hat das Möbelhaus nur 12 bis 16 Tage im Monat geöffnet. Dabei wird allerdings auch kräftig mit dem schrägen Image der laut Eigenwerbung „außergewöhnlichen Geschäftszeiten“ kokettiert. Einen Touch von Event haben die Sonntage, an denen Probewohnen angesagt ist. Das heißt: Keine Beratung, kein Verkauf – weil gesetzlich verboten –, aber man darf gucken und anfassen.
Geliefert werden die guten Stücke je nach Entfernung für 65 bis 150 Mark. Wer sich das Ikea-Feeling beim Zusammenbauen des Mobiliars ersparen möchte, kann für 250 Mark auf Lieferung inklusive Schrankmontage zurückgreifen, was laut Battistella die meisten Kunden auch tun. Es wäre ja schließlich schon schade, wenn die Neuerwerbung aufgrund unsachgemäßer Behandlung gleich noch ein paar Macken mehr abbekommt.
„Who’s perfect?“, Wiebestr. 12–18, 10553 Berlin. Mo–Fr 10–20 Uhr, Sa 10–16 Uhr, So 13–17 Uhr (Probewohnen). Diesen Monat zunächst bis zum 18. geöffnet, dann wieder vom 26. Januar bis 15. Februar
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