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Olympia - „scheene Sach“

■ Berchtesgaden bewirbt sich für 1992 / Heute Entscheidung in Lausanne Proteste wegen Umweltzerstörung - Mehrheit dagegen / Olympia–Serie Teil 3

Von Bartl Grill

Da würde selbst Adolf Hitler große Augen machen, wenn er das von seinem Alpensitz auf dem Obersalzberg aus sähe: Die olympischen Ringe, widergespiegelt vom Watzmann - per Laser. Ein derartiges Lichtspektakel stellte sogar die größenwahnsinnige Nazi–Ästhetik in den Schatten. Den Herrn Kurdirektor Dyckerhoff beflügelt diese Vision, wenn er für die Olympischen Spiele in seinem Fremdenverkehrsbereich wirbt: 1992 soll der Ringe–Reigen mit dieser postmodernen Super–Show eröffnet werden - wenn das heute in Lausanne tagende Internationale Olympische Komitee (IOC) gnädigst den Zuschlag gibt. Oder auch nicht. Dann werden es die, die am Königsee das Sagen haben, eben ein zweites Mal probieren. Ihre sechssprachigen Hochglanzbroschüren (vor allem Arabisch war wichtig, weil in Tunesien und anderswo besonders eifrig wintergesportelt wird) vergilben ja nicht so schnell. Und der Bewerber– Clan hat angeblich alles, was die Herzschlagfrequenz des Spitzenathleten erhöht. Da ist Inzell mit seiner renommierten Eisschnellaufbahn, wo die Goldkinder Erhard Keller und Monika Pflug weiland ihre Rekordrunden drehten; da ist in Schönau der Kunsteiskanal, bewährt durch viele Rodel– und Bobmeisterschaften; da sind die Sprungschanzen und Loipen in Reit im Winkl, die moderne Biathlon–Anlage in Ruhpolding, die Rennpisten am Jenner und das Olympische Dorf in Siegsdorf– Vorauf. Das freilich ist viel zu klein und in Bad Reichenhall fehlt noch eine Eissporthalle. Fast alles kostet nichts, scheints, und die Alpennatur bleibt auch heile. Spiele seien halt rundum „a scheene Sach“ frohlockt Berchtesgadens Bürgermeister Anton Penk. Lokalpolitiker und Touristikmanager seines Schlages wollen sich die olympische Butter nicht mehr vom Brot nehmen lassen: Die Aufmerksamkeit der (Sport–)Welt, der globale PR–Effekt, soll schließlich einen neuen Gästeboom auslösen. Dabei werden sich manche goldene Nasen verdienen, und die übrigen mit dem Ofenrohr aufs Gebirge schauen. Der Kurdirektor beabsichtigt nämlich, den zu erwartenden Besucherstrom in Großpensionen und Hotels zu leiten. Die würden dann von der Abgabepflicht beim Fremdenverkehrsverband ausgenommen, während sich das „Bettenzehnerl“ der Privatvermieter um 50 Prozent erhöhen soll. Durch den Konkurrenzdruck der Übernachtungssilos und den höheren Obolus droht langfristig eine Einkommensquelle bäuerlicher Familienbetriebe zu versiegen. „Die infrastrukturellen Folgen der Spiele gefährden unsere Region“, sagt Bartl Wimmer, der Vorsitzende der Bürgerinitiative gegen die Mammut–Veranstaltung. Durch die Bodenspekulation im Werbetroß von Olympia schießen schon jetzt die Quadratmeterpreise in Münchner Höhen. Über kurz oder lang steigen die Mieten und andere Lebenskosten. Damit nichts anbrennt, starteten die Organisatoren zur Landtagswahl eine ordentliche Diffamierungskampagne gegen die BI. Der Chefredakteur Harro Esmarch hatte den Gegnern schon 1983 mitgeteilt, daß der „Berchtesgadener Hofberichterstatter“ (die BI zu Esmarch) im schwarzen Lokalblatt nicht mehr über ihre Aktivitäten schreiben werde. Eine Art Maulkorberlaß, wie ihn die Berchtesgadener Fürstpröbste im Mittelalter gegen aufmüpfige Gebirgler verhängten. Das tut offensichtlich auch not, zumal unter notarieller Aufsicht durchgeführte Bürgerbefragungen ein niederschmetterndes Ergebnis für die Olympia–Freaks brachten: In Bad Reichenhall stimmten bei einer Beteiligung von 50 Prozent der Wahlberechtigten 71 Prozent gegen das Spektakel. Sie befürchten den Ausverkauf der Alpentäler und deren Verbauung. Die ökologischen Folgeschäden sind noch nicht abzusehen. Bevor es zum Goldregen kommen kann, sind nämlich 13 Straßenbaumaßnahmen erforderlich. Im Startbereich der Männerabfahrt am Jenner muß ein Lärchenbestand gefällt werden. Mit weiteren Rodungen, etwa für einen zusätzlichen Lift (die Jennerbahn transportiert „nur“ 400 Personen pro Stunde) und die Rennstrecke der Frauen ist zu rechnen. Die Grünen schreiben in einer Resolution gegen Olympia von erhöhter Lawinengefahr, Hangrutsch und verstärkter Bodenerosion. Sie stützen sich auf die Ergebnisse einer Studie über den „menschlichen Einfluß auf Hochgebirgs–Ökosysteme“, die vor zwei Jahren im Rahmen des UNESCO–Forschungsprogrammes „Man and Biosphere“ lief. Darin wird eine umfassende Prüfung der Umweltverträglichkeit für sportliche Großveranstaltungen gefordert. Die Grünen sehen noch weiter: Sie stellen die umstürzlerische Frage, „ob in Zukunft Olympische Spiele noch wünschenswert sind, und wenn ja, in welcher Form“. Die wenigsten der Herren, die heute in Lausanne abstimmen, werden sich dazu Gedanken gemacht haben, geschweige denn wissen, daß die Bewerberregion nicht einmal schneesicher ist: Schon so manches Weltcup–Rennen mußte mangels weißer Masse abgesagt werden. Aber notfalls kann man auf die geniale Idee des verstorbenen Landrats Anton Birnbacher zurückgreifen. Der schlug vor, Schneedepots entlang der Pisten einzurichten und das „Material“ kurzerhand mit Hubschraubern aus dem Hochgebirge herunterzufliegen. Teil 1 der Serie (Sommerspiele) erschien Freitag, 10.10., Teil 2 (Winterbewerber) vergangenen Montag.

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