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Pornographie und Peep–Shows

■ Vom „Lustgewinn“ bis zum „miesen Gefühl“

Im Religionsunterricht meiner Schule empfahl der Pfarrer den 15jährigen, sie sollten sich ein Jesusbildchen ins Portemonnaie stecken und immer dann, wenn die Versuchung am Hosenschlitz rüttelt, solle man das Portemonnaie öffnen und mit Jesus Hilfe „darüber“ hinwegkommen. Hätte unser Pfarrer auf den Berliner Männertagen den Arbeitskreis „Pornographie und Peep–Shows“ besucht, wäre er entsetzt davongelaufen. Viele linke Männer gucken nämlich alles Mögliche an, wenn „es“ über sie kommt, nur keine Jesusbildchen. Stattdessen Pornos, Peep–Shows, oder sie gehen in den Puff. Mit großer Offenheit berichteten viele Männer über diese „Problematik“ und ihre eigenen Widersprüche. Weitgehender Konsens: Es hat keinen Sinn, die Lust auf Pornographie niederkämpfen und unterdrücken zu wollen, stattdessen müsse man souverän damit umgehen. Aber was ist souverän? „Manchmal war das einfach super, das war spitze“, berichtete ein Mann über positive Pornographie– und Peep–Show (P&P)–Erfahrungen, und er blieb nicht der einzige, der Genuß und Lustgewinn erfahren hatte: „Ich habe im Pornofilm Dinge gelernt, die mein Leben bereichert haben.“ Dagegen hatten viele andere Männer „danach“ ein „irgendwie mieses Gefühl“, berichteten von starken Einsamkeitsgefühlen und wollten von P&P „wegkommen“: Mir stinkt das, daß ich das nötig habe.“ P&P sei immer eine künstliche, eine illusionäre Sexualität, sie rege an, aber sie führe zu nichts. Die Unterdrückung der Frau durch P&P und die von Feministinnen zuletzt heftig diskutierte „Gewalt gegen Frauen“ durch Pornographie blieb in dem Männerarbeitskreis weitgehend ausgespart. Mann konzentrierte sich auf die eigenen Schwierigkeiten und hörte gespannt den sehr persönlichen Erfahrungsberichten zu. Mit exakter Buchführung versucht einer seinen P&P–Konsum in den Griff zu kriegen. Jede Ausgabe werde notiert, schließlich sei Pornographie nicht nur ein moralisches, sondern auch ein finanzielles Problem. Ein anderer sieht in der Vermeidung von Pornofilmen noch keinen Fortschritt, denn „jeder kann sich seinen Film auch selbst im Kopf zusammenbasteln“. Und immer wieder wurde nach Gründen für den P&P–Konsum gesucht. Die Vision vom idealen Leben wurde ausgemalt mit toller Beziehung, lustvollem Sex, nicht entfremdeter Arbeit und intaktem sozialen Umfeld. Dann brauche Mann keine Pornographie. Andersherum: Wichsen mit Pornos sei ein Sichaufbäumen (!) gegen den Frust. Anstatt unsere Lebensschwierigkeiten in die Hand zu nehmen, nehmen wir den Schwanz in dieselbige. Immerhin gab es doch noch eine Parallele zur Frauen–Diskussion über Pornographie. Auch bei den Männern wurde ansatzweise über eine andere, ästhetischere, menschlichere, schönere Pornographie diskutiert analog zur Frauenforderung nach einer „weiblichen“ Pornographie. Mann war sich einig, daß in den Pornos meist „ziemlich unleckere Typen“ agieren und die „Handlung“ sehr primitiv sei. Die kühnste These zum Schluß. Der Diskussionsleiter war der Meinung, daß es unweigerlich zur Revolution führen werde, wenn Männer nicht mehr in Peep–Shows und Bordelle gingen. Ihre Lebensenergien würden dann umgelenkt auf die Veränderung der repressiven gesellschaftlichen Verhältnisse und entlüden sich in einem großen Knall. Herr–liche Zeiten! man

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