Der syrische „Löwe“ als Sündenbock

■ Prozeß gegen Ahmad Hasi wegen Bombenanschlag in West–Berlin eröffnet / Von Th.Reuter und K.Kruse

Seit Wochen ausgebuchte Pressebänke, Kamerateams aus aller Welt. Auf der Anklagebank sitzen heute im Berliner Landgericht zwei Jordanier: Ahmad Hasi und Farouk Salameh. Sie haben in der polizeilichen den Sprengstoff aus der syrischen Botschaft in Ost–Berlin bezogen zu haben. Als Obmann der Aktion gilt der in London wegen eines versuchten Sprengstoffanschlags auf eine israelische „El Al“–Maschine verurteilte Bruder Hasis, Nezar Hindawi. Auf den Spiel stehen die Waffenlieferungsverträge mit Frankrech, Entwicklungshilfegelder der Bundesrepublik und weitere Sanktionen der Bonner Regierung, die sich weitere Reaktionen gegenüber Syrien bis nach dem Berliner Urteil vorbehalten will.

Eigentlich hatte sich kaum noch jemand um den Anschlag auf die „Deutsch–Arabische Gesellschaft“ im „Neuen Kreuzberger Zentrum“ in dem Berliner Ausländer– und Aussteigerstadteil gekümmert. Mehrere Verletzte. Sachschaden. Am 29. März 1986 nur eine Tagesmeldung ohne Nachhall. Als Motiv gelten bei Beobachtern in Kreisen palästinensischer Emigranten Rivalitäten im Umkreis des eher unpolitisch auftretenden Freundschaftsclubs zwischen Anhängern des kompromißbereiteren PLO–Führers Jassir Arafat und politischen Freunden der militanten Symbolfigur Abu Moussas. Ein anderes Attentat sollte wenig später die Stadt erschüttern. Der Anschlag auf die Berliner Discothek „La Belle“ am 5. April, bei dem eine 28jährige türkische Angestellte und ein 21jähriger schwarzer US–Soldat getötet und mehrere Gäste zum Teil schwer verletzt wurden. Anlaß für den US–Präsidenten, seiner Luftwaffe den Angriff auf die libyschen Städte Tripolis und Benghazi zu befehlen. Ein „Vergeltungsschlag“ gegen den lange schon zum Drahtzieher des internationalen Terrorismus erklärten libyschen Staatschef Ghaddafi mit zahlreichen Toten und Verletzten in der Zivilbevölkerung. Bis heute liegen Täter und Hintergrund des Anschlags auf das auch von Türken, Arabern und schwarzen GIs frequentierten Lokals in Berlin im Dunkeln. Eine weitere Terror–Meldung ging durch die Schlagzeilen der Weltpresse. In London wird der Jordanier Nezar Hindawi verhaftet. Er soll versucht haben, seiner schwangeren irischen Freundin vor dem Abflug einer El–Al–Maschine auf dem Londoner Flugplatz eine mit Plastiksprengstoff gefüllte Tasche unterzuschieben. Nachdem sie alle britischen Kontrollen passiert hatte, wird von einem Sicherheitsexperten der israelischen Luftfahrtgesellschaft die Tasche entdeckt. Ein glücklicher Umstand, der eine renommierte französische Zeitung fragen läßt, warum die Bombe den britischen Behörden und deren Geheimdienst, der sowohl Hindawi persönlich beschattete als auch alle Telefonate abhörte, verborgen geblieben war. Hidawi, von seinem um Hilfe angerufenen Bruder Überredet, stellt sich der Polizei. Noch während der Fahndung nach Hindawi bekommt der Berliner Staatsschutz einen Hinweis auf einen seit Jahren in Berlin lebenden Bruder des Flüchtigen: Ahmad Hasi wird in seiner gemeinsam mit einer deutschen Freundin bewohnten Wohnung verhaftet. Für die nächsten Wochen gilt der 36jährige Jordanier als der „Araber“, der die Bombe im „La Belle“ gelegt haben soll. Tagelange Verhöre und etliche ergebnislose Gegenüberstellungen mit Gästen der Discothek verstreichen. Ein Geständnis des völlig demoralisierten Jordaniers bleibt aus. Eine Anklage wegen Beteiligung an einem Sprengstoffattentat auf die Discothek wird voraussichtlich gegen Hasi nicht mehr erhoben. Wenig später wird Hasi von Zeugen auf den veröffentlichten Fahndungsfotos als jemand erkannt, der sich zusammen mit seinem Bruder Hindawi kurz vor dem Attentat auf die Deutsch–Arabi sche Gesellschaft in Kreuzberg aufgehalten haben soll. Hasi legt ein umfangreiches Geständnis für den Anschlag auf die Deutsch– Arabische Gesellschaft ab. Dem Anschlag in Kreuzberg sei, so die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, Anfang Februar ein Streit zwischen Hindawi und einem Vertreter der Deutsch–Arabischen Gesellschaft, der ihnen die Unterstützung ihres palästinensischen Befreiungskampfes verweigert hätte, vorausgegangen. Die angeblich israelfreundlichen Verräter sollten bestraft werden. Der Anfang vom Ende einer vermeintlichen Durchstarterkarriere. Der seit Jahren unauffällig in der Bundesrepublik lebende Hasi gab bei Vernehmungen an, initiert durch seinen Bruder im Sommer 1985 nach Libyen gereist zu sein und an politischen Schulungen über die Ziele des Revolutionsführers Ghaddafi teilgenommen zu haben. Anfang 1986 habe er sich dann gemeinsam mit Hin dawi und dem zum Zeitpunkt des Geständnisses ebenfalls festgenommenen Berliner Mittäter Farouk Salameh in Syrien aufgehalten, wo ihnen die Funktionsweise einer Zeitzünderbombe des später verwendeten Typs erläutert worden sei. Anfang Feb. 86 habe Hasi telefonisch von seinem nach London zurückgekehrten Bruder den Auftrag erhalten, sich zur Syrischen Botschaft in Ostberlin zu begeben. Dort sei ihm der Sprengstoffkoffer ausgehändigt worden, den er in Begleitung von drei Männern in einem PKW zum Ostbahnhof gebracht und bei der Gepäckaufbewahrung abgegeben habe. Eine Woche später habe er den Sprengstoff abgeholt und auf der Transitautobahn an Salahmeh weitergereicht, der ihn über Dreilinden mit nach Westberlin genommen habe. Der bereits Wochen vor seiner Festnahme beschattete Nezar Hindawi gilt in Geheimdienstkreisen seit seiner Festnahme als Kopf eines fast zwanzigköpfigen, in Europa agierenden „Gun–for–Hire“ Clans, der sich, nachdem er in Libyen abgeblitzt war, in den bezahlten Dienst des legendenumworbenen Abu Nidal stellte. Dieser von der PLO verurteilte Al–Fatah–Dissident genieße die Unterstützung der syrischen Luftwaffe. Als ausgewiesener Gegner Husseins bekam der Jordanier automatisch einen sogenannten „Dienstpaß“ des syrischen Außenministeriums.