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RWE bangt um den Energie–Konsens

■ Aber sonst gehts dem Konzern bestens / Acht Mark Dividende auf jede der 200.000 Aktien des Stromgiganten / Stromverkauf rückläufig

Aus Essen Rita Schnell

Auch im vergangenen 88. Geschäftsjahr des Rheinisch–Westfälischen Elektrizitätswerkes gibt es wieder frohe Kunde für die Aktionäre des Konzerns. Acht DM auf die 50 Mark–Aktie kann die Stromhandlung ihren Aktionären für das Geschäftsjahr 1985/86 an Dividende auszahlen. Dies erklärten Unternehmenssprecher jetzt gegenüber der Presse. Dabei machen die Essener ihren Reibach nicht nur bei der Elektrizitätserzeugung und -verteilung, wenn dort auch die Hauptaktivitäten liegen. Zu dem gigantischen Gemischtwarenhandel gehören z.B. auch die Heidelberger Druckmaschinen AG, die Wendelsteinbahn, die Berchtesgadener Bergbahn, Union Kraftstoff und die Chemische Fabrik Ravensberg. Auch im Uranerzbergbau, in Versicherungs– und Wohnungsgesellschaften hält der Konzern seine Finger drin. Und natürlich im Atomgeschäft - ob Schneller Brüter oder die Hanauer Atomschmiede Nukem, das RWE ist immer dabei. Dies ist allerdings auch der Wirtschaftszweig, der den Essener Stromdealern im vergangenen Jahr besondere Sorgen bereitete. Denn das Jahr war - auch für Herbert Krämer, seit sechs Wochen Mitglied im RWE– Vorstand, „überschattet von dem Reaktorunfall in Tschernobyl“. „Durch dieses Unglück“, so mußte Herr Direktor Krämer auf der Jahrespressekonferenz bedauernd feststellen, „hat die Kernenergie fraglos an Akzeptanz verloren.“ Krämer sieht die „Kontroverse um die weitere Nutzung der Kernenergie“ erneut „entfacht und den energiepolitischen Konsens in Frage gestellt“. Im Namen seines Arbeitgebers appellierte das Vorstandsmitglied „an alle Parteien, die ihnen von der Verfassung auferlegte Aufgabe zur politischen Willensbildung wahrzunehmen“. Denn „ein isolierter Ausstieg“ ist für die Essener Konzernherren „unverantwortbar“. Der „Marktführer“ unter den deutschen Energieversorgungsunternehmen plant in den nächsten Jahren eine Wachstumspause auf dem Strommarkt. Nach Fertigstellung des Atomkraftwerks Mühlheim–Kärlich befindet sich nach Angaben des RWE lediglich noch ein Müllheizkraftwerk in Essen im Bau. Derzeit gebe es keine Pläne für weitere Neubauten, sagte Vorstandsmitglied Franz Josef Spalthoff. Vorhaben für zwei weitere Kernkraftwerke seien eingestellt worden, da „auf absehbare Zeit kein Bedarf zu erwarten“ sei. Zur Zeit gebe es noch ausreichende Überkapazitäten, so daß aus der Sicht des Unternehmens auch ein Ausbau der in den letzten Jahren geschmähten Nachtspeicherheizungen durchaus wünschenswert sei. In den ersten sechs Monaten des laufenden Geschäftsjahres 1986/87 (30. Juni) hat das Unternehmen nach eigenen Angaben 6,2 Prozent weniger Strom abgesetzt als im Vorjahr. Bereits im Geschäftsjahr 1985/86 war die nutzbare Stromabgabe um 2,1 Prozent zurückgegangen. Ärger hatte der Branchenführer im vergangenen Geschäftsjahr auch mit der nordrhein–westfälischen Landesregierung. Wirtschaftsminister Jochimsen stimmte der beabsichtigten Erhöhung der Strompreise nicht wie gewünscht zu. Statt um 4,9 die Preise nur um 2,6 werden. Vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen will das RWE sich jedoch noch im nachhinein grünes Licht für seine Preisvorstellungen erstreiten. Daß die Kilowattstunde derzeit mit 15,8 oder 18,8 Pfennigen für den Normalverbraucher unterbezahlt sein soll, wird in der Zentrale vor allem den hohen Umweltschutzkosten angelastet. Obwohl die vorgenommenen Umweltschutzmaßnahmen, wie Vorstandsmitglied Dr. Friedhelm Gieske erfreut feststellte, „aus vorhandener Liquidität finanziert und mit dem derzeitigen Mitarbeiterstand bewältigt werden konnte“. Ein voller Erfolg war nach Gieske die Anzeigenserie „RWE–Umweltbilanz“, denn die „hat die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt und dazu beigetragen, die notwendig gewordenen umweltschutzbedingten Preiserhöhungen verständlich zu machen“. Bedauernd stellte die Vorstandsriege fest, daß der Konzern nun bereits im zweiten Jahr keine Rücklagen bilden konnte. Selbst die acht Mark Dividende habe man in allen Ecken „zusammengekratzt“. Dennoch soll es vorerst keine weiteren Strompreiserhöhungen für RWE–Kunden geben - „jedenfalls nicht bis zum 1. Juli 87“, meinte Vorstandsmitglied Günther Klätte, „was später ist, kann man allerdings nicht wissen“.

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