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„Kohlepfennig“ als Hebel der Atomlobby

■ Stahlindustrie unter dem Druck der staatlich subventionierten ausländischen Konkurrenz / Mit dem „Jahrhundertvertrag“ läuft Schonfrist für den Kohlebergbau ab

Von Martin Kempe

Während die Stahlindustrie nach staatlicher Hilfe gegen die ausländische Konkurrenz ruft, gibt es für die Bergbauindustrie bereits ein umfangreiches Regelwerk mit dem Ziel, die eigenständige Energiebasis der Bundesrepublik zu erhalten. Wenn nun beide Industriezweige gleichzeitig in den Krisenstrudel geraten, besteht für die Kernregionen der Montanindustrie, das Ruhrrevier und das Saarland höchste Alarmstufe. Noch im Herbst 1985 hatte das Münchener Ifo– Institut die Zukunft der deutschen Stahlindustrie durchaus in rosigen Farben gemalt. Die deutschen Hütten seien technologisch fortschrittlicher, deshalb von ihrer Kostenstruktur her günstiger dran als die europäischen Konkurrenten. Während sich aber die deutschen Konzerne ohne Subventionen auf dem europäischen und dem Weltmarkt behaupten müßten, fließen in den Nachbarländern die Subventionen. Deshalb bestehe trotz allem die Gefahr, „daß sich der fällige Kapazitätsabbau im wesentlichen in der Bundesrepublik vollzieht“. Anders als die Stahlindustrie wurde die Bergbauindustrie an Ruhr und Saar schon seit langem durch ein umfangreiches Vertragswerk geschützt. Ziel war die Erhaltung einer eigentständigen Energiebasis für die Bundesrepublik. Der „Jahrhundertvertrag“ Kernstück der derzeit noch gültigen Bergbaupolitik ist der sogenannte „Jahrhundertvertrag“, ein über 15 Jahre laufendes Vertragswerk zwischen dem Steinkohlebergbau und der Energiewirtschaft. Dieser Vertrag verpflichtet die Stromproduzenten je nach Höhe des Wachstums beim Stromverbrach, deutsche Steinkohle im Umfang von mindestens 45 Millionen Tonnen pro Jahr abzunehmen. Ziel dieser Verpflichtung ist, entsprechend dem allseits proklamierten „Kohlevorrang“, in den Kraftwerken das (billigere, aber importierte) schwere Heizöl durch die deutsche Steinkohle zu ersetzen. Um die Preisnachteile jener Stromproduzenten auszugleichen, die überwiegend auf Steinkohlebasis produzieren, sind die Stromkonzerne berechtigt, ihren Kunden einen sogenannten „Kohlepfennig“ in Höhe von durchschnittlich 4,5 Prozent des Endverbraucherpreises zusätzlich in Rechnung zu stellen. Das so vom Verbraucher aufgebrachte Geld bildet das Finanzvolumen, mit Hilfe dessen die teure Steinkohle auf das billigere Heizöl hinuntersubventioniert wird. Wenn nun der Ölpreis sinkt wie in den letzten Jahren, wird das benötigte Ausgleichsvolumen größer. Aus diesem Grund steht im Zusammenhang mit der Diskussion um eine Anschlußregelung nach dem Auslaufen des „Jahrhundertvertrages“ 1995 die Forderung der Bergbauindustrie und der IG Bergbau und Energie, den „Kohlepfennig“ zu erhöhen. Die Erhöhung des „Kohlepfennig“ würde zwar am bundesdurchschnittlichen Endverbraucherpreis nichts verändern. Sie würde den Strom in den Ländern verteuern, die überwiegend Atomkraft einsetzen (wegen der höheren Abgaben), während er in den Ländern mit überwiegender Kohlverfeuerung verbillig würde (wegen der höheren Ausgleichszahlungen). An dieser Stelle wird die Konkurrenz zwischen Atomenergie und Kohleindustrie zum Politikum zwischen SPD– und CDU–regierten Ländern, die sich in ihrer Energiebasis deutlich unterscheiden: Der „Kohlepfennig“ wird für die auf Atomkraft setztenden Unionsländer zum Hebel, um den überwiegend auf Steinkohle setzenden SPD–Ländern NRW und Saarland etwaige Atom– Ausstiegsgelüste auszutreiben.

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