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Testwahl für die rot–grüne Normalität

■ In Hessen entscheiden die SPD–Prozente über die Fortsetzung der Koalition / Von K.–P. Klingelschmidt

So ungewiß für die Demoskopen der Ausgang der Hessenwahl am Sonntag ist, eins ist im Vorfeld bereits klar: Entscheiden werden die Stimmen für die beiden Großen. Für die FDP ist die Rückkehr in den Landtag so gut wie gesichert, und auch die Grünen können allen Umfragen zufolge mit mindestens 8 zusammenbringt. Der Spagat im Zusammenhang mit der Plutoniumfabrik ist nach außen schwer zu verkaufen.

Frankfurt (taz) - Daß „Hessen kämpft“, glauben die Sozialdemokraten tatsächlich; jedenfalls ziert diese Parole alle ihre Wahlplakate. Doch für wen oder gar für was das Bundesland kämpfen soll, sagt die SPD nicht. Walter Wallmann, vom hessischen Ex–Umweltminister Fischer nur noch „Lallmann“ genannt, wird da schon konkreter. Der frisch vereidigte Bundesumweltminister will, daß „Hessen gewinnt“ - und Hessen wird nur dann gewinnen, wenn die Hessen am Sonntag CDU wählen, versteht sich. Dafür daß „Hessen voran kommt“, müssen die Wählerinnnen und Wähler zunächst „rot–grün die gelbe Karte zeigen“, meint die FDP, und die Grünen versprechen, worauf alle Welt schon seit Wochen wartet: „Frühling für Hessen“. Erbarmen, zu spät ... Dabei sind die Fronten seit Wochen klar. Die Grünen, die mit etwa 10 Stimmen rechnen, wollen die Koalition mit der SPD erneuern und die FDP - die mit Sicherheit wieder im Landtag vertreten sein wird - will mit der CDU Wallmanns koalieren, um dem Hessenland das „rot–grüne Chaos“ (FDP– Chef Gerhard) zu ersparen. Doch auf dem Weg zum angestrebten Regierungswechsel in Wiesbaden hat das schwarz–gelbe Bündnis Federn lassen müssen. Daß sich Wallmann im Februar von Bundeskanzler Kohl erneut zum Bundesumweltminister hat küren lassen, haben ihm die Hessen, die ja „gewinnen“ wollen, übelgenommen. Selbst die christdemokratische Hauspostille FAZ mäkelte an dieser „Sicherheitspolitik“ ih res Gottes Wallmann herum, denn die Signalwirkung dieser Entscheidung war eindeutig: Wallmann selbst glaubt nicht an seinen Sieg in Hessen. Sicherheitspolitiker „Lallmann“ Da paßt es ins Bild, daß es Wallmann bisher vermieden hat, der hessischen Öffentlichkeit ein Regierungsteam zu präsentieren. Der „Molke–Minister“ (Fischer) deutete lediglich die parteilose Präsidentin des Deutschen Landfrauenverbandes, Irmgard Reichhardt vom Hofgut Ringelshausen, als Kandidatin für das Landwirtschaftsministerium aus. Der „feinfühlige“ Wallmann weiß genau, daß sich seine Gewinnchancen auf ein Minimum reduzieren würden, sollte offiziell durchsickern, daß die Hessen–CDU - außer den absoluten Schnarchsäcken Karlheinz Weimar und Gottfried Milde, dessen peinigende Reden bereits im Landtag als traurige Höhepunkte parlamentarischen Daseins gewertet wurden - nur noch den Stahlhelmer Manfred Kanther im personellen Angebot hat. So sorgt sich denn auch der smarte FDP–Landesvorsitzende Dr. Wolfgang Gerhard ebenso um die Prozentpunkte der CDU, wie sich auf der anderen Seite die Grünen fragen, ob denn die SPD noch in der Lage ist, die erforderlichen 41 Denn das eine läßt sich bereits im Vorfeld der Wahl sagen: Die großen Parteien werden Stimmenanteile verlieren, und die jeweiligen Juniorpartner werden in den Größenordnungen von 3 hinzugewinnen. Derweil quälen sich die Sozialdemokraten mit dem Problem der „Glaubwürdigkeit“ herum, allerdings nur innerlich. Denn selbst die auf diversen Parteitagen abgebügelten Kandidatinnen der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) haben sich mit voller Wucht in den Wahlkampf geworfen. Noch im letzten Kaff steckt, neben der Zeitung am Sonntag, mit Sicherheit ein Flugblatt der AsF– Frauen in den Briefkästen, in dem die Frauen zur Wahl der SPD aufgefordert werden, „weil die Partei gerade für die Frauen so viel getan hat“. Auf den aussichtsreichen 40 Listenplätzen der SPD–Hessen finden sich ganze sechs Frauen wieder (15 Frauenbeschluß (25 männerdominierte SPD auf ihrem Listenparteitag in Sprendlingen schlicht ignoriert. Sozis im Dauerspagat Auch über die Glaubwürdigkeitslücke in der Atom–Ausstiegs– und Plutoniumfrage springt die SPD - im Wahlkampf - mühelos hinweg. Mit der griffigen Formel Wallmann will den Plutoniumstaat - die Hessen–SPD hält dagegen gehen die Sozialdemokraten bei ihren Wahlveranstaltungen auf Stimmenfang. Daß es der SPD–Wirtschaftsminister Ulrich Steger war, der mit seiner vorangekündigten Genehmigung für die Plutoniumfabrik ALKEM den Sprengsatz an das rot–grüne Regierungsbündnis geheftet hat, will im Wahlkampf kein Sozialdemokrat mehr wahrhaben. So meinte etwa der Vorsitzende des Umweltausschusses im hessischen Land tag, der SPD–Abgeordnete Martin Schlappner, auf einer Diskussionsveranstaltung in der Opelstadt Rüsselsheim auf die Frage nach den Ursachen des Koalitionsbruchs eiskalt: „Joschka Fischer hat die Nerven verloren.“ Doch ob die SPD damit durchkommt, ist völlig unklar. Wenn in Hanau und anderswo sozialdemokratische Betriebsräte die Partei zur „Frontstellung gegen das grüne Jacobinertum“ aufrufen, Hans Krollmann dagegen auf seinen Wahl–Großveranstaltungen ausdrücklich die „Leistungen der rot–grünen Regierungsarbeit“ herausstreicht, dann fragt sich der geneigte Wähler schon, welche SPD er denn nun wählen soll: die des Herrn Krollmann oder die der Herren Kraushaar (Betriebsrat der Atomfabrik RBU) oder Metzger (OB Darmstadt). So beherrscht denn bei den Grünen vor allem die Frage nach den Chancen der SPD die Diskussio nen. Grünen–Pressesprecher Reinhold Weist quälte sich stundenlang mit der Frage herum, ob er denn dem Ex–Partner - nach der Regierungs–Pressekonferenz zur Normenkontrollklage gegen das Atomgesetz - „wg.“ Unverschämtheit noch einen draufgeben sollte oder ob es besser sei zu schweigen - bis nach der Hessenwahl. Weist: „Ich denke da politisch.“ Der Nordhesse, der auf Platz 14 der Hessen–Liste für den Landtag kandidiert, entschloß sich dann zu einer „Sowohl–als– auch“–Presseerklärung: „Licht und Schatten“. Grüne bangen um den Partner Für das „Zugpferd“ der hessischen Grünen, den Ex–Umweltminister Joschka Fischer, ist es denn auch die „erste Aufgabe“ der Grünen, „die sklerotisierte Tante SPD“ auf Trab zu bringen, insbesondere in der Ausstiegsfrage. Fischer füllte während seiner Wahlkampftornee selbst in der tiefen Provinz die Turnhallen und Bürgerhäuser. Und mit leuchtenden Augen saßen die Bürgers wie gebannt auf ihren Stühlchen, wenn Fischer - ohne Manuskript - wieder einmal sein mehr als einstündiges Redefeuerwerk abbrannte. Zur Rolle Stegers im Kampf gegen die Atommafia: „Ein Hund, der zum Jagen getragen werden muß und einem dann noch in die Hand beißt.“ Zu Wallmann und seiner Atom–Expertenkommission für Biblis: „Ein Betriebsausflug.“ Zu Börners Verhalten während der Regierungskrise: „Wie ein wundgeschossener Elefantenbulle.“ Welches Lager nun am Sonntag die Nase vorne haben wird, wissen auch die Demoskopen nicht. Doch wie gesagt: „Hessen kämpft“ - noch bis Sonntag 18 Uhr.

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