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Nur schlappe 3,5 Millionen Dollar für die Contra

■ Im Kongreß in Washington begannen die Anhörungen zur Aufklärung des Iran–Contra–Skandals / Richard Secord, ehemaliger Pentagon– General und Oliver Norths wichtigster Komplize, packt erstmals Zahlen über Contra–Gelder aus / „Regierung billigte mein Handeln“

Aus Washington Stefan Schaaf

Als am Dienstag der seit Monaten erwartete Tag gekommen war, an dem der Kongreß seine öffentlichen Anhörungen über den Iran– Contra–Skandal beginnen wollte, interessierte man sich in Washington für ein ganz anderes Thema. Nicht die Abzweigung von Millionen von Dollars aus dem geheimen Waffenhandel mit dem Khomeini– Regime beschäftigte Medien und Politiker, sondern die Abschweifungen des demokratischen Präsidentschaftsaspiranten Gary Hart. Der war, wie Schmiere stehende Reporter herausgefunden hatten, am Freitag abend mit einer gutaussehenden blonden Frau in seinem Washingtoner Haus verschwunden und erst spät am Samstag wieder aufgetaucht. Die blonde Frau war nicht seine eigene, und der Miami Herald, ansonsten eine seriöse und reputierliche Zeitung, hatte nichts Besseres zu tun, als dem Senator aus Colorado eine Affaire anzudichten, und das mit viel Wumms am Sonntag in großen Lettern auf der Titelseite. Und so wetteiferten zwei Affairen am Dienstag abend um die Fernsehminuten in den amerikanischen News–Shows, die eine von globaler Natur und die Praxis der US–Außenpolitik unter Reagan betreffend, die andere typisches Produkt amerikanischer Medienhysterie und doppelbödiger Sexualmoral. Während Gary Hart beteuerte, seine Besucherin sei wenig später ungesehen durch den Hintereingang verschwunden, sah man im altehrwürdigen „Senate Caucus Room“ einen bissigen Richard Secord. Der Ex–General und North– Komplize ist nach wie vor davon überzeugt, mit seiner Außenpolitik durch die Hintertür angemessen und legitim gehandelt zu haben. Secord war überraschend zum ersten Zeugen der auf drei Monate angesetzten Hearings gemacht worden. Im November hatte er noch, genau wie seine Mitverschwörer North und Poindexter, jegliche Aussage verweigert. Nun will der Mann, der die politischen Ideen der beiden in die Tat umgesetzt hatte, zum Angriff übergehen, obwohl er keine Immunität genießt. „Ich gehe davon aus, daß unser Handeln in Erfüllung der präsidentiellen Politik erfolgte. Ich gehe außerdem davon aus, daß diese Administration von meinem Handeln wußte und es billigte“, erklärte Secord zu Beginn seiner dreistündigen Aussage. „Wir alle hatten zu leiden und einen schmerzhaften Angriff auf unsere Motive und unsere persönliche Integrität zu erdulden“, fuhr er fort. Medien seien für das Ausmaß, das die Affaire angenommen hatte, verantwortlich zu machen. Nun werde er die Fakten auf den Tisch legen. „Der Justizminister ist voreilig mit seinen weitgehend unzutreffenden Enthüllungen über unsere Operationen an die Öffentlichkeit gegangen. Die Entscheidung von Meese und anderen, ihrer Angst und Verwirrung nachzugeben, ist besonders deswegen unverzeihlich, weil er unser Angebot, ihn zu informieren, ausschlug. Wir waren es dann, die betrogen, im Stich gelassen und mit unserer Verteidigung uns selbst überlassen wurden.“ Nach derlei Breitseiten gegen die vermeintlichen Hasenfüße in den Reihen der Reagan–Administration ging es schließlich zur Sache. Secord erläuterte zum ersten Mal die finanzielle Seite der privaten Nachschub–Operation für die Contra, die er auf Ersuchen von Oliver North im Herbst 1985 aufzubauen begonnen hatte. Danach wurde von den knapp 18 Millionen Dollar, die aus dem Waffen–Deal mit dem Iran stammten, lediglich 3,5 Millionen für den Contra– Nachschub verwendet. Acht Millionen Dollar befänden sich noch auf den Konten in der Schweiz, drei Millionen seien für den Transport der Waffen in den Iran verwendet worden und zwei Millionen sind spurlos verschwunden. Einige dieser Operationen sind höchst interessant und verdienten bei der Fortsetzung von Secords Vernehmung in den nächsten Tagen genaueres Nachfragen. So wurde nicht nur der Contra–Führer Arturo Cruz mit 5.000 Dollar pro Monat davor bewahrt, in Florida um Sozialfürsorge nachsuchen zu müssen, sondern auch sein Kollege Alfonso Robelo sahnte ab, dieser sogar die doppelte Summe. Der Dritte im Antisandinisten–Bunde, FDN–Chef Calero, erhielt - via Genfer Konten - insgesamt 200.000 Dollar aus der iranischen Kriegskasse. Secord führte außerdem einen neuen Akteur in die zunehmend verzwickte Handlung ein: die US–Drogenbekämpfungsbehörde DEA, die seiner Aussage zufolge mit dem Aufspüren der US–amerikanischen Geiseln im Libanon beschäftigt gewesen sei und deren Mitarbeiter in Europa zu diesem Zweck eine Summe bisher unbekannter Höhe erhielten. Mehrere hunderttausend Dollar wurden außerdem für den Kauf und Betrieb des Frachters „Erria“ verwendet, der für ein „Regierungsprojekt, das nichts mit Iran und nichts mit Nicaragua zu tun hatte“, benötigt wurde. Welches Projekt dies war, verriet Secord bisher noch nicht. Aus der Presse ist allerdings bekannt, daß die „Erria“ unter anderem vor der libanesischen Küste dümpelte, um die US–Geiseln aufzunehmen, falls diese für ein millionenschweres Lösegeld aus privaten Quellen tatsächlich freikämen. Ansonsten sagte Secord über mehrere Treffen aus, auf denen der private Nachschub für die Contra besprochen wurde, und beteuerte, bei seinen Waffen–Deals ungewöhnlich niedrige Profitmargen, „ganze zwanzig Prozent des Einkaufspreises“, geltend gemacht zu haben. Unterstützt wurden er und seine Mitstreiter bei ihrem Bemühen, die Contras in der Zeit, in der kein Geld vom Kongreß bewilligt worden war, mit Waffen und Material zu versorgen, sowohl vom US– Botschafter in Costa Rica, Lewis Tambs, als auch vom US–Militärattache in San Salvador, Leutnant Steele, außerdem von den CIA– Dienststellen in El Salvador und Honduras. Einiges von dem, was Secord aussagte, bestätigt, was Gegner der Contra schon lange behaupten. Vor allem für die völlige Abhängigkeit der Anti–Sandinisten vom Geldfluß aus Washington und ihr Angewiesensein auf die von der CIA installierte Infrastruktur lieferte er Belege. Secords Vernehmung wurde gestern und heute fortgesetzt.

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