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Atomstrom aus Cattenom statt aus Wyhl

■ Am Wochenende findet in Karlsruhe das Tribunal gegen die Badenwerke AG statt / Das Energieversorgungsunternehmen aus dem Musterländle ist Vorreiter einer neuen Atomstrom–Importpolitik / Ministerpräsident Lothar Späth unterstützt den neuen Atomkurs

Aus Karlsruhe Harry Kunz

Die Badenwerke AG, die gemeinsam mit der Energieversorgung Schwaben (EVS) das AKW Wyhl plante, zählt zu den strammsten Atomprotagonisten der bundesdeutschen Energiewirtschaft. Es setzte mit dem 1968 in Betrieb genommen AKW Obrigheim schon frühzeitig auf Atomkurs. Der Durchmarsch der Atomkraft war aber für die achtziger Jahre vorbehalten, als mit Inbetriebnahme des AKW Philippsburg und der geplanten Inbetriebnahme von Wyhl der Atomstromanteil auf über 70 Prozent erhöht werden sollte. Nach dem Scheitern ihres Wyhl–Projektes orientierte das Badenwerk seine atomaren Sehnsüchte in Richtung auf die Schweiz und Frankreich um. Neben der französischen Atomzentrale Fessenheim, die schon seit Jahren zweitwichtigster Atomstromlieferant des Badenwerks ist, hat sich das Unternehmen am größten schweizerischen AKW in Leibstadt und der geplanten Atomanlage in Kaisersaugst beteiligt. Aktuell gilt die Aufmerksamkeit vor allem der Mammut–Atomzentrale Cattenom, von der seit Dezember 1986 Atomstrom zum Badenwerk fließt. Bereits 1979 wurden mit dem französischen Energiekonzern EdF Strombezugsrechte in Höhe von fünf Prozent der Leistung der beiden ersten Cattonom– Reaktoren vereinbart. Zum Ausgleich zahlt das Badenwerk fünf Prozent der Bau– und Betriebskosten für die Atomzentrale Catte nom. Nachdem bereits 1984 der von Ministerpräsident Späth verkündigte „vorläufige Verzicht auf Wyhl“ wesentlich mit Atomstromofferten aus Paris begründet worden war, liegt nun eine Offerte der EdF über die Lieferung von bis zu 1.100 Megawatt Atomstrom nach Baden–Württemberg vor. Für die französische Seite stellt der Atomstromexport einen letzten Rettungsanker dar, um ein weiteres rapides Anwachsen des Schuldenbergs der ohnehin hochverschuldeten staatlichen Energiegesellschaft EdF zu vermeiden und gleichzeitig das französische Handelsbilanzdefizit aufzubessern. Auch das Badenwerk sieht mit der Wende vom „einheimischen“ zum französischen Atomstrom die Möglichkeit, das aus der Kostenexplosion beim Bau des AKW Philippsburg drohende finanzielle Fiasko zu vermeiden. Noch immer zählt das Badenwerk zu den Stromkonzernen mit den höchsten Strompreisen in der Bundesrepublik. Vom vermehrten Import–Atomstrom erhoffen sich die Atommanager eine kostendämpfende Wirkung, da der französische Atomstrom zu höchstens 70 Prozent der Kosten des Stroms aus neuen bundesdeutschen AKWs zu haben ist. „Billiger“ Atomstrom aus Frankreich ermöglicht es außerdem, die auf Eroberung neuer Absatzmärkte ausgerichtete Stromexpansionspolitik fortzusetzen: Schon heute heizen rund neun Prozent der Privatkunden des Badenwerks mit Elektrospeicherheizungen. Dieser Anteil soll mit Hilfe von französischem Atomstrom weiter erhöht werden. Der neue Atomkurs paßt gut ins Konzept von Ministerpräsident Späth, dessen Industriepolitik auf einer billigen Stromversorgung für High–Tech–Firmen und großen Industriekonzernen basiert. Ministerpräsident Späth: „Wenn wir 20 Prozent unseres Gasbedarfs aus der Sowjetunion beziehen, dann können wir auch 20 Prozent unseres Kernkraftbedarfs aus Frankreich decken.“ Die Atommanager in der bundesdeutschen Energiewirtschaft wittern ihre Chance, mit Hilfe von französischem Atomstrom die Abhängigkeit der bundesdeutschen Energieversorgung vom Atom komplett zu machen, indem nur noch der Spitzenstrombedarf von Pumpspeicherkraft– und billigen Importkohle–Kraftwerken abgedeckt wird. Mit ihrer Orientierung auf französischen Atomstrom hat sich die Badenwerke AG somit an die Spitze einer für die neunziger Jahre für die gesamte bundesdeutsche Energiewirtschaft drohenden Entwicklung gesetzt. Nachahmer hat man schon gefunden: Im Dezember 1986 teilte die französische Zeitschift Liberation mit, daß sich die Chemiekonzerne Bayer und BASF ernsthaft um französischen Atomstrom bemühen. Die somit drohende „Internationalisierung“ der Stromerzeugung und -verteilung würde nicht zuletzt auch jeder nationalen Atomausstiegsdiskussion die Grundlage entziehen. Für die Anti–AKW–Bewegung gilt es daher, sich frühzeitig mit dieser Entwicklung kritisch auseinanderzusetzen. Einen Einstieg in eine solche Diskussion wollen Anti–AKW–Initiativen aus Baden– Württemberg mit einem am heutigen Samstag in Karlsruhe (Gaststätte „Walhalla“) stattfindenden Badenwerk–Tribunal initiieren. Bei dieser Veranstaltung soll die Geschäftspolitik des Strommonopolisten aus der Sicht der Anti– AKW–Bewegung dargestellt und Gegenstrategien entwickelt werden.

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