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Neuer Kollaps am Oberrhein

■ Auf 60 Kilometern ist ein Großteil der Kleinlebewesen abgestorben / Die Ursache ist noch unbekannt

Von Manfred Kriener

Berlin/Lörrach (taz) - Im Rhein ist am Donnerstag ein alarmierendes Absterben von Kleinlebewesen festgestellt worden. Im Altrhein zwischen Weil und Breisach sind nach Angaben des Umweltdezernenten des Landkreises Lörrach, Müller, bis zu 90 Prozent aller Kleinlebewesen abgestorben. Die chemische Landesuntersuchungsanstalt Offenburg untersucht derzeit Wasserproben auf mögliche Gifte der Chemie–Industrie. Bisher blieben die Labor–Analysen ergebnislos. Laut dem baden–württembergischen Umweltministerium steht allerdings „mit großer Wahrscheinlichkeit“ fest, daß es sich nicht um Pestizide im Ausmaß der Sandoz–Katastrophe handele. Im Stuttgarter Umweltministerium wurde eigens „ein Stab eingerichtet“, der die Aufklärung des vermuteten Unfalls und die Koordination mit den Schweizer Behörden regelt - offenbar ein Reflex auf die Sandoz–Katastrophe. Ursache des Sterbens im Altrhein könnte indes auch die Wasserführung in diesem Bereich des „Stroms“ sein. Fortsetzung auf Seite 2 Der Rhein–Seitenkanal führt den Hauptanteil des Wassers, während der Rest–Rhein laut Vereinbarungen mit dem französischen Energie–Riesen EDF von der Staustufe nur mit mindestens 30 Kubikmeter Wasser je Sekunde gespeist wird. Da sich EDF in den letzten Tagen diesem Minimum angenähert habe und die Temperaturen gleichzeitig stark gestiegen sind, könnte auch ein „biologischer Effekt“, so Nik Geiler vom Arbeitskreis Wasser im BBU, die Ursache des Kleintier–Sterbens sein. „Die Organismen sind auf eine starke Strömung angewiesen.“ „Dennoch“, so der Wasserexperte, „sollte auch nach möglichen Schadstoffen gesucht werden.“ Umweltdezernent Müller verwies auch auf die Schnakenbekämpfung mit Pestiziden als mögliche Ursache. Die Chemie–Industrie wurde von den Behörde auf deutscher und Schweizer Seite inzwischen „auf mögliche Havarien abgefragt“ (Müller). Dabei seien keine Störfälle gemeldet worden, was die Behörden allerdings wenig beruhigt. In den Gemeinden entlang dem knapp 60 Kilometer langen betroffenen Rheinabschnitt wurde ein Bade– und Angelverbot verhängt. Über Lautsprecher wurden die Einwohner „vor dem Kontakt mit Rheinwasser“ gewarnt. Besondere Verfärbungen und Gerüche habe man allerdings nicht festgestellt. Die Grünen haben, wie ihr Bonner Chemie–Experte Heiner Lohmann mitteilt, inzwischen Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt.

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