: Sandinisten auf Friedenskurs
■ Nicaragua macht ernst mit dem Arias–Friedensplan und läßt Gefangene frei / Kein Pardon für weiterkämpfende Contras / Sandinisten erwarten massenhafte Desertion von Contras
Aus Managua Ralf Leonhard
Eine Woche vor Ablauf ihrer 30tägigen Arreststrafe wurden am Dienstag Lino Hernandez, der Präsident der antisandinistischen Menschenrechtskommission CPDH, und Alberto Saborio, Vorsitzender der Anwaltskammer, freigelassen. Anlaß für den Gnadenakt Präsident Ortegas war der Besuch des demokratischen US–Senators Tom Harkin. Die beiden Oppositionellen waren am 15.August bei einer unerlaubten Demonstration in Managua festgenommen worden und befanden sich seit dem 26.August im Hungerstreik. Drei Wochen lang hatte es aus aller Welt - von Geißler bis amnesty international - Proteste geregnet gegen die Verhaftung und Verurteilung vor allem von Lino Hernandez, dessen Kommission von der ultrakonservativen US–Stiftung „National Endowment for Democracy“ gesponsert wird. Die Freilassung der beiden kann auch als Vorleistung der Regierung im Rahmen des Abkommens von Guatemala verstanden werden. Das am 7.August von den fünf Präsidenten Zentralamerikas unterzeichnete Dokument verlangt von den Signatarstaaten politischen Dialog und Amnestie. Der Umfang dieser Amnestie, der im Vertrag jedoch nicht definiert ist, wird derzeit in Nicaragua heftig diskutiert. Während die Rechtsopposition und auch Kardinal Obando y Bravo totale Amnestie unter Einschluß aller bereits abgeurteilten Nationalgardisten und Konterrevolutionäre fordern, hat die Regierung bisher nur den Contras, die die Waffen niederlegen, volle Garantien zugesagt. Vizeinnenminister Luis Carrion machte am Dienstag klar, daß „An eine massive Haftentlassung ist nicht zu denken, solange die Contra von den USA Militärhilfe bezieht und in Honduras und anderen zentralamerikanischen Ländern Unterschlupf findet.“ Dennoch sind die Sandinisten, die das Abkommen bisher mustergültig erfüllt haben, zu Vorleistungen bereit: Schon jetzt gilt als sicher, daß die Oppositionszeitung la Prensa bald wieder erscheinen darf und der Notstand auf die Kriegszonen beschränkt wird. Die seit zwei Jahren gültige Amnestie für reuige Contras hat nach dem unerwarteten Erfolg des Guatemala–Gipfels zu vermehrten Desertionen in den Reihen der Contras geführt. In den nördlichen Kriegszonen treffen täglich neue Contra–Kämpfer aus Honduras ein, die umgehend zu ihren Familien zurückgeschickt werden und außerdem ein Stück Land zugewiesen bekommen. Die Regierung rechnet mit weiteren massenweisen Desertionen, wenn sich in den Lagern in Honduras herumspricht, daß das Amnestieangebot keinen doppelten Boden hat, und ist dabei, im Norden eigene „Empfangszentren“ für Ex–Contras einzurichten. Erste Maßnahmen in Richtung Haftentlassung wurden von der nationalen Versöhnungskommission in Aussicht gestellt, die unter Vorsitz von Kardinal Obando am Dienstag erstmals tagte. Mauricio Diaz, der Delegierte der Oppositionsparteien, kündigte an, daß die Freilassung von 618 - mehrheitlich alten und kranken - Gefangenen bevorstehe, deren Begnadigung zu Jahresbeginn bereits von der Nationalversammlung beschlossen worden war.
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