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Die eindrucksvolle Größe

■ Zum Groß–Kredit der Bundesrepublik an Ungarn

Bei dem Besuch des ungarischen Ministerpräsidenten Karoly G. in Bonn sollte laut Agenturmeldungen die Bundesregierung eine Bürgschaft für einen Bankkredit an Ungarn übernehmen. Mit diesem Kredit, laut ap, verfolgt die Bundesregierung das erklärte Ziel, den ungarischen Kurs wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und sozialer Reformen zu unterstützen. Ich lese in der deutschen Presse, daß meinem Land nun ein von der Bundesregierung verbürgter Kredit von „eindrucksvoller Größe“ beschert werden soll. Anläßlich des Besuchs des ungarischen Regierungschefs wird darauf hingewiesen, daß diese neue großzügige Anleihe wahrscheinlich zur Modellbeziehung Bonn–Budapest beitragen wird. Ich bin beeindruckt von der taktvoll verschwiegenen Größe des deutschen Kredits an Ungarn. Als ökonomisch nicht sehr gebildeter Zeitungsleser bin ich nicht unbedingt darauf angewiesen, die konkrete Summe zu kennen. Ohnehin fällt es mir schwer, sagen wir, zwei von drei Milliarden DM zu unterscheiden. Andererseits, als Mensch mit ausgeprägten ökonomischen Interessen könnte ich durchaus die Summe nennen, die meine aktuellen wirtschaftlichen Probleme zumindest vorübergehend lösen würde. Ich betone, daß dieser Betrag weit unter der der Volksrepublik Ungarn geborgten nicht näher bezeichneten Summe liegt. Hiermit erkläre ich mich bereit, meine Beziehung zu demjenigen, der mir einen Kredit ver bürgt, als modellhaft zu betrachten, als eine Beziehung, die wahrlich Nachahmung verdient. Wir gewöhnlichen Sterblichen bewegen uns ständig im Reich der kleinen Zahlen. Daß unser Land 27 Milliarden DM Schulden hat, beeindruckt uns weniger als die Tatsache, daß zum Beispiel ein Liter Milch neun Forint kostet oder daß zum Beispiel Rentner/innen mit 2.000 Forint monatlich auskommen müssen. Die Erfahrungen unserer Gesellschaft mit größeren Ziffern waren alles andere als glücklich. Wir wurden jahrzehntelang mit statistischem Optimismus gefüttert, eindrucksvolle Produktionserfolge vernebelten die alltägliche Misere. Daher das Mißtrauen in der ungarischen Gesellschaft gegenüber Größen, die nicht direkt in die Sprache des kleinen Mannes/Frau übersetzbar sind. Wenn nun die Herren an der Donau mit denen am Rhein über Verbürgtes verhandeln, soll es ihnen nicht verborgen bleiben, daß es hier noch um einen anderen Kredit geht, nämlich um einen moralischen, wofür keine Regierung der Welt bürgen kann. Es handelt sich um die vage Hoffnung, daß es der Regierungsmannschaft von Karoly G. gelingen wird, die aktuelle Krise zu überwinden und darüber hinaus Bedingungen zu schaffen, weiteren Krisen nicht so ohnmächtig gegenüberzustehen, wie es bis jetzt der Fall war. Damit Kredite - finanzielle wie moralische - sich später nicht als überflüssige Geld– oder Hoffnungsverschwendung erweisen, müßte man vor allem das Klima der ungarischen Gesellschaft verändern. Man muß tatsächlich politische Formen und Rahmen schaffen, in denen sich die Bürger, Regierungstreue ebenso wie oppositionell Gesinnte, zu allen Problemen des Landes öffentlich äußern können. Dabei ist es wichtig darauf aufzupassen, daß die Freiheit des Wortes nicht als Ersatz oder Alibi für das Fehlen des Handelns dasteht, damit im angenehmen Rausch des Alles–Sagen–Dürfens nicht vergessen wird: Es muß auch etwas getan werden. Eigentlich enthält auch das neue Regierungsprogramm vieles davon - vielleicht genießt selbst die Regierung die Veröffentlichung dieses Projekts als eine Erweiterung seiner eigenen Pressefreiheit. Aber ob sie es auch schafft, das Geplante in Tat umzusetzen? Hoffen wir. Eines ist sicher: Es wäre eine Leistung von eindrucksvoller Größe. György Dalos

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