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Grüner Konflikt um RAF–Amnestie

■ Die Debatte der Grünen um eine Amnestie für RAF–Gefangene ist eher ein neuer, gehässiger Streit als eine wirksame Initiative

Berlin (taz) - In grünen Gremien spielt es sich ein, bei wichtigen Streitthemen die Diskussion ergebnislos abzubrechen: Konfliktpunkt auf der Sitzung des Bundeshauptausschusses der Grünen in Berlin war die Erklärung der Vorständlerin Ditfurth zur Amnestie der RAF. Sie hatte (rechtzeitig vor der Debatte in der Fraktion) eine Amnestie für alle RAF–Gefangenen gefordert und den Staat angeklagt, er benötige den Terror. Diese Presseerklärung wurde wiederum von Eva Quistorp, Mitglied des Bundesvorstandes, als „vereinfachend“ und „grobschlächtig“ und vom grünen MdB Antje Vollmer, die vor allem die grüne Diskussion vorangetrieben hat, als unsensibel kritisiert. Die gestrige Ausschußsitzung war doppelt symptomatisch: Das Streitthema wurde an den Schluß gelegt, so daß die Debatte in der Abreise eines größeren Teils der Ausschußmitglieder verendete; gleichzeitig kamen in der Debatte Töne auf, die eher einen neuerlichen gehässigen Streit inerhalb der Grünen als eine wirksame politische Initiative erwarten lassen. Jutta Ditfurth fand Kritik an ihrem Vorbreschen undiskutabel. Es gebe die „unbewältigte Vergangenheit der Linken“ vor allem hinsichtlich staatlicher Unterdrückung. Der Staat habe nicht den Terror der RAF bekämpft, sondern die linken Bewegungen, die Anti–AKW–Bewegung als terroristische Bewegungen angegriffen. Deswegen müsse auch die Forderung nach „Versöhnung“ abgelehnt werden. Die „Versöhnungsstrategie“ sei bloß humanitär und unrealistisch. In Hinblick auf die Amnestieforderung von Rommel meinte sie, das sei eher eine „Großmutsgeste von Papi“. Gerade wenn „Schicki–Micki“– Leute wie in Tempo sich jetzt die Amnestieforderung für Aussteiger zueigen machen, müßten die Grünen eine „generelle Amnestie“ fordern. Die Ablehnung „bloß humaner“ Begründung der Amnestie und die Weigerung, zwischen „guten und schlechten“ RAF–Angehörigen zu unterscheiden, kennzeichnete viele Beiträge. Vor allem aber schienen die meisten die Amenstie–Debatte als Gelegenheit zu begreifen, eine Generalabrechnung mit dem Repressionsstaat zu verlangen. In diesem Zusammenhang wurde dann Antje Vollmers Initiative einer Großen Anfrage und einer Debatte in Bundestagsfraktion als pastoral herabgewürdigt. Allein der Hinweis von Udo Knapp, der die Position der Fraktion referierte, fand kaum Gehör: Er führte aus, daß die Amnestiediskussion nicht als Neuauflage der Gewalt– und Staatsdiskussion der Grünen betrieben werden sollte. Die abgebrochene Debatte läßt aber befürchten, daß die Grünen mit einer öffentlichen Empfänglichkeit für die Amnestieforderung nichts anfangen können, sondern in der Auseinandersetzung über die Frage Allgemeine Amnestie oder Amnestie nur für RAF–Aussteiger wieder in die Gewaltdebatte hineinrutschen. Ein Antrag, der die Stellungnahme von Jutta Ditfurth als persönliche Meinung hinstellt, konnte wegen der Abreise nicht mehr behandelt werden. Vertreter der Landeesverbände von NRW, Baden–Württemberg und Berlin gaben anschließend diesen Antrag als Presseerklärung an die Öffentlichkeit. KH

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